Johanna und Helmut Kandl

Kämpfer, Träumer & Co

09/2006 - 01/2007
Lentos Kunstmuseum, Linz, A


Wenn es aber Wirklichkeitssinn gibt –
und niemand wird bezweifeln, daß  er seine Daseinsberechtigung hat,
dann muß es auch etwas geben, das man Möglichkeitssinn nennen kann.

Robert Musil, der Mann ohne Eigenschaften

 

Meine Ausstellung behandelt anhand der Mikroökonomie und des Privaten die gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre, in der die irreguläre (Markt) wirtschaft in den ex – sozialistischen Ländern mit ihren großen Wachstumsraten und ihrer Flexibilität eine Form ökonomischer Avantgarde bildet.

1989 dachten die Ökonomen und Politiker – oder gaben zumindest vor zu denken – daß der Kapitalismus über den Sozialismus gesiegt hätte bzw. der „Osten“ sozusagen im „Westen“ verschwinden würde.

Jetzt, im Postkapitalismus angekommen, sehen wir, daß  unsere westliche Gesellschaft den Sozialismus brauchte, um überleben zu können.

Trotz des immer größeren Einflusses der Wirtschaft auf die Politik, eigentlich der „Feindlichen Übernahme“ der Politik durch die Wirtschaft, hat die Wirtschaft keinen Credit mehr – niemand glaubt mehr daran, daß der Kapitalismus Probleme lösen kann. (schon gar nicht nach New Orleans) George Soros schrieb bereits Mitte der 90 davon, der „Kapitalismus sei am Ende“..

In diesem Scenario stellen die ex – sozialistischen Länder eine Avantgarde dar: einmal wegen der Rolle des „Turbo – Kapitalismus“, aber auch wegen eines Phänomens, das wir z. b. in der ex DDR beobachten können: sozialistische Ideen und Lebensmuster tauchen in neuen Zusammenhängen, veändert und den neuen Zeiten angepaßt, auf, haben große Bedeutung, wie wir beim Ergebnis der deutschen Wahlen sehen.

Die Ausstellung im Lentos ist zweierlei Avantgarden gewidmet:
Den Leuten, die ihre kleinen Geschäfte als ein Mann – und ein Frau –Betrieb führen; Ungeschützt ins Feld geschickt, das „Kanonenfutter“ der Wirtschaft.
In neuer Form – neue Technologien nützend - sind die Figuren der Biedermeierausschneidebögen wieder zum Leben erstanden und die „kleinen Geschäfte“ dringen – weil die regulären Anstellungen und Berufe verschwinden oder auch das Einkommen aus ihnen nicht mehr reicht – nach Deutschland und Österreich, tief in das Herz des Gesicherten, Saturierten vor.

Die Ausstellung deutet aber auch eine andere Avantgarde an – wie zum Beispiel in Berlin zu beobachten macht man es sich gemütlich in einer Welt, die vor allem jungen Leuten keine Karrieren mehr bietet.
Das Fahrrad ist das Haupttransportmittel, der Döner ersetzt das Restaurant, das Bier trinkt man aus der Flasche auf der Straße. Auch im innerstädtischen Bereich gibt es „Wagenburgen“, wo Leute in Wohnwagen und Anhängern leben…
In veränderter Form tauchen Fragmente sozialer und linker Gesinnung wieder auf, das Wort „Profit“ ist negativ konnotiert, neulich sah ich in in einem Geschäft ein Flugblatt mit der Zeile „Wußten Sie schon, daß die Bank mit Ihrem Geld arbeitet?

Meine Ausstellung inszeniert Räume, schafft Zusammenhänge und verwendet verschiedene Medien:
Die Malerei, meist Tempera auf Holz, entsteht nach Fotos, bei deren Aufnahme ich anwesend war, das heißt, ich kenne die Situation.

Im Prozess des Malens erfährt das Motiv eine Konkretisierung: Einzelheiten sind sehr wichtig,, Produktnamen, Details von Kleidern, Aufschriften, Autos ….

Und so wird die Malerei auch rezipiert – als Auslöser für Erinnerungen, aber auch Sentimentalität: Die Bilder sind kommunikative Bilder….

Die Videos, die ich mit Helmut gemeinsam mache haben eine andere Form von Wirklichkeitssinn: Sie erzeugen Paralelluniversen, wie das Video Ajnstajn, Novi Sad, in dem wir bereits im einem Pluriversum leben, in dem die Geschichte des Balkans und speziell die Jugoslawiens eine andere, bessere ist.

Speziell für Lentos entwickeln wir ein Video, das als partizipatoriches Projekt  die Mitglieder des Linzer Kunstvereins involviert.
In die Rahmenhandlung (einen  Kunstdiebstahl) eingebettet eine Party des Kunstvereins:
Die Mitglieder essen, unterhalten sich, trinken, rauchen….  Ein paar Meter daneben machen sich Punks breit– eine Off – stimme erzählt von Konkursen;Insolvenzen, fahrlässiger oder auch betrügerischer Krida, Schmiergeld…die Unsicherheit hat jetzt auch Linz erreicht….

Pate für das Video hat u.a. Johann Nestroy mit seinem Stück: „Zu ebener Erde und erster Stock“ gestanden. In diesem Stück laufen auf horizontal geteilter Bühne 2 Paralellhandlungen ab - so wie im Lentos das Ausstellungsgeschehen im 1. Stock seinen Widerpart in der „Unterwelt“ des Depots und der Putzfrauen findet – und natürlich vor allem in den Punks, die ihr Quartier „zu ebener Erde“ aufgeschlagen haben….

mehr information unter: http://www.lentos.at/de/45_1119.asp



in heaven


Am Stausee


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