Übersetzt von Klaus Neundlinger
1. Seit Seattle gleicht die globale Bewegung einer Batterie, die nur zur Hälfte funktioniert: Sie lädt sich zwar ständig auf, ohne jedoch zu wissen, auf welche Weise und in welchen Zusammenhängen sie die angestaute Energie einsetzen soll. Wir wohnen also einem wundersamen Prozess der Schatzbildung bei, dem vorerst keine adäquaten Investitionen entsprechen. Oder, um ein weiteres Bild zu bemühen, wir haben ein neues, ausgefeiltes und leistungsstarkes High-Tech-Gerät vor uns, ohne über dessen Gebrauchsanleitung zu verfügen. Die symbolisch-mediale Dimension (rote Zonen, in die Demonstrierende ein paar Meter eindringen, internationale Foren, die als Momentaufnahmen der in Entwicklung befindlichen "neuen Spezies" herumgereicht werden wie Polaroid-Fotos usw.) war zugleich Chance und Grenze. Einerseits hat sie für die Akkumulation der Energien gesorgt, andererseits aber deren Einsatz verhindert oder unendlich aufgeschoben. Jede/r Aktivist/in ist sich dessen bewusst: Die globale Bewegung ist noch nicht imstande, auf die aktuelle kapitalistische Akkumulation einzuwirken – im Sinne einer als zersetzend verstandenen (Ein)-Wirkung. Die Bewegung hat also diejenigen Formen des Kampfes, die dazu geeignet sind, die Lage der prekären, befristeten und atypischen Arbeit in subversives politisches Vermögen zu verwandeln, noch nicht ausreichend gebündelt. Woher kommt diese Schwierigkeit? Warum sind die Profitraten und die konstituierten Mächte durch drei Jahre voller Unruhen nicht wesentlich beeinträchtigt worden? Worauf ist dieser paradoxe double-bind zurückführen, aufgrund dessen der symbolisch-kommunikative Bereich gleichzeitig authentische Antriebsfeder und Quelle der Lähmung ist?
Die globale Bewegung ist in die Enge getrieben, weil sie sich innerhalb der zeitgenössischen Produktionsverhältnisse bewegt, nicht weil sie diesen äußerlich wäre oder sich an deren Rändern aufhalten würde, wie einige behaupten.
Die Bewegung stellt die konfliktgeladene Schnittstelle innerhalb des postfordistischen Arbeitsprozesses dar. Aus eben diesem Grund (und nicht trotz dieses Umstandes) erscheint sie in der Öffentlichkeit als ethische Bewegung. Was bedeutet das? Die zeitgenössische kapitalistische Produktion setzt alle Fertigkeiten, die unsere Art gegenüber allen anderen auszeichnen, zu ihrem Nutzen ein: abstraktes Denken, Sprache, Einbildungskraft, Affekte, ästhetischen Geschmack usw. Seit fünfzehn Jahren wurde (meines Erachtens mit gutem Grund) immer wieder darauf hingewiesen, dass der Postfordismus das Leben als solches als Arbeitskraft einsetzt. Man wird schnell darüber einig werden, dass es sich dabei um eine grob vereinfachende Formulierung handelt, doch schlage ich vor, uns an sie zu halten, unter der Prämisse, dass es diesbezüglich natürlich detaillierterer Analysen bedarf. Wenn es also stimmt, dass die postfordistische Produktion sich das "Leben" aneignet, in anderen Worten das Zusammenspiel der spezifisch menschlichen Fähigkeiten, dann ist es wohl offensichtlich, dass der Aufstand dagegen sich an eben diesem Umstand festmachen lässt. Dem von der flexiblen Produktion vereinnahmten Leben wird die Instanz des "guten Lebens" entgegengesetzt. Und die Suche nach dem "guten Leben" ist das Thema der Ethik.
Darin besteht die
Schwierigkeit und die wahre Herausforderung. Der Primat
der Ethik ist die unmittelbare Konsequenz der materiellen
Produktionsverhältnisse. Aber dieser Primat scheint
zunächst einmal von dem weg zu führen, was wir eben
als seine Ursache erkannt haben. Eine ethische Bewegung
wird Mühe haben, sich in die Art und Weise, über die
heutzutage der Mehrwert geschaffen wird, einzumischen.
Die Arbeitskräfte, die sich im Zentrum des globalisierten
Postfordismus befinden – Prekäre, Flexible, GrenzgängerInnen
zwischen Beschäftigung und Arbeitslosigkeit – verteidigen
einige allgemeine Prinzipien der conditio
humana: die Redefreiheit, den freien Zugang zum
Wissen als Gemeingut, den Frieden, den Umweltschutz,
Gerechtigkeit und Solidarität, das Streben nach einer
Öffentlichkeit, in der die Einzigartigkeit jeglicher
Existenz im Vordergrund steht. Obgleich die ethische
Instanz, die zwar im gesellschaftlichen Arbeitstag
verwurzelt ist, über diesen letzteren weit hinausgeht,
so verändert sie doch noch nicht die Kräfteverhältnisse,
die in seinem Inneren walten.
Misstrauen gegenüber der ethischen
Kraft der Bewegung ist nicht angebracht, wenn es auf
dem Vorwurf basiert, die Bewegung vernachlässige auf
diese Weise den Kampf gegen die Ausbeutung. Es wäre
aber auch ein Irrtum, aus den umgekehrten Gründen weihevoll
zu verkünden, diese ethische Kraft sei nicht mehr auf
Kategorien wie "Ausbeutung" und "Klassenkampf"
angewiesen. In beiden Fällen geht die Kritik an der
entscheidenden Fragestellung vorbei: die konfliktuale
Beziehung zwischen der Instanz des "guten Lebens"
(die durch Genua und Porto Alegre verkörpert wird) und
dem als Arbeitskraft eingesetzten Leben (als Kern des
postfordistischen Unternehmens).
Als Kürzel für die verschiedenen sozialen Figuren, die in der globalen Bewegung zusammenfließen, möchte ich den Begriff Massenintellektualität verwenden: MigrantInnen, Prekäre, ArbeiterInnen im Bereich Kommunikation, Leute, die im Total Quality Management tätig sind. Es ist ebenso einfach wie abwegig, zu behaupten, die Massenintellektualität sei eine ökonomisch-soziologische Kategorie unter anderen, die eins zu eins jene Kategorien ersetze, die in früheren Zeiten verwendet wurden (FacharbeiterIn, unqualifizierte/r ArbeiterIn usw.). Aber es ist genauso einfach und irreführend, zu meinen, die Massenintellektualität überschreite die Ökonomie und die Soziologie, da sie vielmehr von kulturellen Konstellationen und ethischen Einstellungen bestimmt sei. Die Angelegenheit ist komplizierter. Insofern die Massenintellektualität heute die zentrale Achse der kapitalistischen Akkumulation darstellt, ist sie von herausragender ökonomisch-soziologischer Bedeutung. Anderseits ist sie eben die zentrale Achse der kapitalistischen Akkumulation, weil ihre wichtigsten Eigenschaften nur in ethisch-kulturellen Begriffen beschrieben werden können, als ausdifferenzierte Menge an Lebensformen. Kurz gesagt, die Massenintellektualität steht im Zentrum der postfordistischen Ökonomie, weil ihre Seinsweise sich den kanonischen Begriffen der politischen Ökonomie entzieht. Dieses Paradox erklärt die teils vorteilhafte, teils lähmende Zentralität des symbolisch-kommunikativen Terrains, auf dem die Bewegung verschiedenste Kräfte mobilisiert hat.
2. Rufen wir uns die beiden berühmten aristotelischen Definitionen des "Homo Sapiens" in Erinnerung: "das Lebewesen, das über Sprache verfügt" und "das politische Lebewesen". Sprachbegabtes Wesen: der verbale Ausdruck, integraler Bestandteil unserer biologischen Konstitution, formt jeglichen Affekt und jegliche Wahrnehmung mit. Politisches Wesen: der transindividuelle (oder, besser gesagt öffentliche) Charakter des menschlichen Geistes, seine Fähigkeit zu interagieren, zu kooperieren und sich dem Möglichen und dem Unvorhergesehenen gegenüber anzupassen. Meines Erachtens fassen diese beiden Definitionen aus der Antike gut zusammen, was man unter dem als Arbeitskraft eingesetzten Leben zu verstehen hat. Die tatsächlichen beruflichen Fähigkeiten (wie man so schön sagt), die von den postfordistischen ArbeiterInnen (vom "flexiblen Menschen") verlangt werden, bestehen im Vermögen, Zeichen zu produzieren, zu kommunizieren und zu interagieren bzw. kommunikativ zu handeln. Die globale Bewegung hat als Bewegung des "guten Lebens" versucht, diese grundlegenden Fähigkeiten aus den ökonomischen Zwängen zu lösen, indem sie diesen eine völlig andere Form gegeben hat als diejenige, die sie innerhalb der Unternehmen angenommen hatten. Insofern ist dies gar nicht so verschieden von dem, was man in früheren Zeiten "Wiederaneignung der Produktivkräfte" genannt hätte.
Die globale Bewegung spricht und handelt aus eigenem Antrieb, sie wird nicht von außen regiert oder gelenkt. Worin besteht jedoch genau dieses Sprechhandeln, die innige Verwobenheit von Sprache und Praxis, die die Bewegung des Sich-Abwendens von den konstituierten Mächten charakterisiert? Und vor allem, unter welchen Bedingungen zeigt das Sprechhandeln Wirkung, wann verändert es die Zu- und Umstände? In welchen Fällen bleibt es hingegen leere Geste? Um diese Fragen zu beantworten, ist es vielleicht nützlich, auf die Sprechakttheorie des englischen Philosophen John L. Austin zurückzukommen.
In seinem berühmten Buch mit dem Titel „How to do things with words“ analysiert Austin jene Aussagen, bei denen es genügt, sie auszusprechen, um sozial bedeutende Handlungen zu setzen; Handlungen, die nicht weniger konkret und folgenreich sind als ein Kuss oder eine Transaktion an der Börse; Handlungen jedoch, deren Vollzug ohne Sprechen nicht möglich ist. Wenn ich sage: "Ich taufe dieses Kind auf den Namen Lukas", "Ich schwöre, dass ich nach Rom kommen werde", "Ich wette, dass Inter Mailand Meister wird", oder "Ich verzeihe dir", dann handelt es sich nicht um die Beschreibung einer Handlung (Taufe, Schwur usw.), sondern um deren Ausführung. Ich spreche nicht von Dingen, die ich gerade mache, sondern ich tue etwas, indem ich spreche. Diese Aussagen, die Austin Performative nennt, sind Praxisfragmente. Mit diesen beschränkt man sich nicht darauf, Vorsätze, Programme oder Ziele zu formulieren, sondern man verwirklicht sie, wenn alles so funktioniert, wie es sollte, im Moment des Aussprechens. Die Performative sind selbstreferenziell. Es handelt sich dabei aber um eine anomale Selbstreferenz, die keineswegs "müßig" ist: Die Aussage wird auf sich selbst als Handlung bezogen, die im Begriff steht, vollzogen zu werden (nicht auf sich selbst als einfache Wortbedeutung). Sätze wie: "Ich taufe dieses Kind auf den Namen Lukas" bezeichnen einen Sachverhalt oder Zustand, den sie selbst erzeugen. Sprechen und Tun sind hier in einem circulus virtuosus aufeinander bezogen.
Die von Austin untersuchten Performative stellen also in aller Klarheit nicht bloß die Nähe, sondern die Einheit der beiden aristotelischen Definitionen vom Menschen unter Beweis. Sie zeigen auf, dass das Sprachvermögen zwar auf ein biologisches Organ zurückzuführen ist, dieses biologische Organ jedoch das Organ der öffentlichen Praxis ist. Das sprachbegabte Wesen ist in sich ein politisches Wesen: es handelt über das Sprechen, es sprechhandelt. Die performativen Aussagen schließen nicht anders als das politische Handeln im Allgemeinen das Sich-dem-Blick-der-Anderen-Aussetzen ein. Sie können nicht bloß gedacht oder im Telegrammstil gemurmelt werden. Um wirksam zu werden, müssen Sätze wie "Ich wette, dass …", "Ich begrüße dich!" oder "Ich taufe …" mit kräftiger Stimme und auf passende Weise ausgesprochen werden, damit sie in jenem Bereich, der niemandem und allen zugleich gehört und Öffentlichkeit heißt, ihren Platz finden. Ein nicht wahrnehmbarer Performativ käme einem bloß eingebildeten Streik gleich.
Die globale Bewegung
ist als ethische oder Bewegung des "guten Lebens"
eine performative
Bewegung. Sowie bei einer Taufe oder Wette schaffen
viele ihrer Behauptungen das Ereignis, auf das sie sich
beziehen. Wer "Die Sitzung ist eröffnet"
sagt, macht etwas mit Worten, er legt den Beginn einer
Diskussion fest. Dasselbe gilt unter bestimmten Bedingungen
für jemanden, der "Desertion" oder "No
Copyright" sagt. Es geht mir keinesfalls darum,
zu behaupten, die Initiativen der globalen Bewegung
bestünden im Wesentlichen in verbalen Äußerungen. Ich
will auf etwas anderes hinaus. Die Initiativen der
globalen Bewegung, ob wortreich oder wortkarg, sind
keine Mittel zu einem bestimmten Zweck, sondern stellen
in ihrer konkreten Ausgestaltung Beispiele von Alternativen
gegenüber den herrschenden Lebensformen dar.
Ausführung und Ergebnis fallen
der Tendenz nach zusammen. Deshalb spreche ich von Performativität.
Performativ ist eine Bewegung, deren Sprechhandeln
dazu führt, dass sie sich die Zielsetzungen aneignet
und konkret eine soziale Kooperation entwickelt, die
mit der postfordistischen Produktionsordnung auf Kollisionskurs
geht. Es ist wohl richtig, dass das performative Sprechhandeln
das Symbolisch-Rituelle einschließt, in diesem Fall
ist der Begriff "symbolisch" aber nicht abwertend
gemeint, insofern er auf einen hohen Grad an Aktivität
verweist.
Hannah Arendt hebt in Vita activa zwei charakteristische Züge der politischen Praxis hervor: Der erste besteht darin, dass stets mit etwas Neuem begonnen wird, das nicht durch eine Verkettung von Ursachen vorgegeben ist; der zweite Wesenszug ist das Sich-den-Anderen-Zeigen. Ihrer Einschätzung nach bildet der kontingente und unerwartete Einsatz, einer zweiten Geburt nicht unähnlich, das Handeln im strengen Sinn. Das Sich-Aussetzen hingegen wurzelt in der Rede, durch die der oder die Handelnde über sein oder ihr Tun Auskunft gibt. Die zwei Seiten der politischen Praxis – der Neubeginn und das Ergreifen des Wortes – implizieren sich gegenseitig."
Das Handeln wäre ohne die Rede kein Handeln mehr, weil ihm dadurch der Handelnde, also derjenige, der einen Akt vollzieht, fehlen würde. Das Handeln ist nur möglich, wenn es zugleich auch zu sprechen imstande ist. Die Handlung, die jemand setzt, offenbart sich den anderen durch das Wort, und auch wenn die Geste des Handelnden, auf ihre nackte physische Erscheinung reduziert, ohne jegliche Beteiligung von Worten wahrgenommen werden kann, hat letztlich nur der Ausdruck, über den jemand sich selbst als Handelnden zu erkennen gibt, Bedeutung, indem er verkündet, was er tut, getan hat oder zu tun gedenkt." Trotz ihrer innigen Verwobenheit bleiben Tun und Sprechen einander weiter äußerlich. Das Handeln erfährt durch das Reden seine Bestätigung, ohne jedoch daraus hervorzugehen. Das Reden dient seinerseits dazu, vom Handeln zu erzählen oder dazu aufzurufen, und dennoch ist es nicht sein Kern. Diese Äußerlichkeit verschwindet jedoch, als Arendt auf zwei exemplarische politische Handlungen zu sprechen kommt: das Versprechen und das Verzeihen. Das Versprechen ist eine Art und Weise, auf die die Menschen, die öffentlich tätig sind, das Ausmaß der Unvorhersehbarkeit der künftigen Ereignisse einschränken. Das Verzeihen wirkt der Unabänderlichkeit der Vergangenheit entgegen. Nun bestehen sowohl das Versprechen als auch das Verzeihen in zwei performativen Aussagen, in nichts anderem als Wörtern, durch die man Dinge tut. Der Ursprung von etwas Neuem und die Rede ergänzen einander nicht nur, sondern sind nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Die globale Bewegung macht sich diese Ununterschiedenheit zu eigen, insofern sie vielfältige Arten des Versprechens und Verzeihens praktiziert.
3. Die Sprechakttheorie trägt also einerseits dazu bei, die Vorliebe der globalen Bewegung für symbolisch-kommunikative Akte zu erklären, zum anderen liefert sie uns konkrete Hinweise bezüglich der typischen Probleme und Schwierigkeiten (Illusionen, Stillstand, …), in die man innerhalb dieses Milieus geraten kann. Ich fasse in aller Kürze einen wichtigen Aspekt zusammen: Laut Austin sind die Performative nicht wahr oder falsch, da sie keine Tatsachen beschreiben, sondern solche ex novo schaffen. Obwohl sie weder richtig noch falsch sind, können sie doch gelingen oder scheitern, wie das übrigens bei jeder Handlung vorkommen kann. Austin nennt einen Performativ, der nichts verwirklicht, missglückt. Es gibt verschiedene Arten des "Misslingens", also verschiedene Formen des Scheiterns beim Versuch, zu sprechhandeln. Ich beschränke mich in diesem Zusammenhang darauf, jene Formen einer Betrachtung zu unterziehen, die die performativen Praktiken der globalen Bewegung betreffen.
Ein Performativ ist (in der Terminologie Austins) als leer zu bezeichnen, wenn er in einem Gedicht vorkommt oder von einem Schauspieler auf der Bühne vorgetragen wird. Es ist klar, dass ich, wenn ich den Satz: "Ich schwöre, dass ich morgen nach Rom komme" als Zeile eines Theaterstücks ausspreche, keine Handlung des Schwörens vollziehe, sondern diese bloß erwähne oder rezitiere. Die Performativität der Bewegung hat sich manchmal aufs Zitieren reduziert. Das Sprechhandeln bleibt leer, wenn es zwischen Anführungszeichen gesetzt wird.
Ein weiteres Übel bezüglich der Performative ist ihre missbräuchliche Verwendung. Wenn ich, der ich kein Priester bin, "Ich taufe dieses Kind auf den Namen Lukas" sage, vollbringe ich nichts. Häufig hängt die Wirksamkeit eines Performativs von genau definierten institutionellen Rollen oder von juridisch festgelegten Vorrechten ab. So steht es etwa dem Parlamentspräsidenten und niemand anderem zu, zu verlautbaren: "Die Sitzung ist eröffnet." In einigen Fällen war die globale Bewegung versucht, so zu tun, als ob sie in die Rolle der Europäischen Kommission, der UNO oder eines Schiedsgerichts schlüpfen würde (und sei es auch nur, um der Funktionsweise dieser Organismen ihren Stempel aufzudrücken). Das Imitieren institutioneller Rollen oder bestimmter Vorrechte ist falsch und wirkt sich auf die Bewegung lähmend aus; falsch, weil es eigentlich vonnöten wäre, diese Rollen und Vorrechte in Frage zu stellen; lähmend, weil das Sprechhandeln auf diese Weise unwirksam bleibt. Im besten Fall fällt der Missbrauch dann in eine harmlose (zitierend-theatralische) Leere zurück.
Schließlich gibt es fehlgeschlagene Sprechakte. Wenn ich sage: "Ich nehme diese Person zu meiner Frau", ohne dass die geliebte Person anwesend ist, so feiere ich klarerweise keine Hochzeit. Wenn ich zu einem Menschen, der zwei Kilometer entfernt steht, sage: "Ich begrüße Sie", dann vollziehe ich natürlich keinen Akt des Grüßens. In diesen Fällen unterminiert ein Mangel an Zusammenhang die Performativität. Die materiellen Umstände der Sprechakte sind diesen nicht angemessen. Dieser Typ des Misslingens ist wohl der interessanteste in Bezug auf eine Reflexion über die Schwierigkeiten der globalen Bewegung. Sprechhandeln in Anführungszeichen, Sprechhandeln, indem man sich missbräuchlich institutionelle Rollen zuschreibt, ist ein Fehler. Das Fehlschlagen hingegen ist etwas Unvermeidliches (und sogar Lehrreiches) hinsichtlich einer politischen Praxis, die beabsichtigt, neue kollektive Gewohnheiten über eine sukzessive Annäherung vorzuzeichnen. Die Performativität, die weder juridisch noch theatralisch ist, zielt darauf ab, politisch nachvollziehbare und nachahmbare Beispiele zu schaffen. Die Modi, in denen die Instanz des "guten Lebens" den Einsatz-des-Lebens-als-Arbeitskraft aufzuheben imstande ist (und so der Ausrichtung auf die Profitraten und dem Kommando über die Arbeitskraft etwas entgegensetzen kann), schließen jedoch ein Vorgehen gemäß dem Schema "Versuch und Irrtum" ein, also eine gewisse Menge an fehlgeschlagenen Versuchen.
Der Text wurde auch publiziert in: Kulturrisse 02/05.