Die vielen Gesichter des 'Civis', oder: Ist BürgerInnenschaft übersetzbar?

Stefan Nowotny

Gemäß Emile Benveniste bieten die beiden klassischen europäischen Sprachen, Griechisch und Latein, zwei verschiedene linguistische Modelle zum Verständnis von „BürgerIn“ an: Während das griechische Modell den polites der polis zuordnet und folglich auf einer Beziehung von Mitgliedschaft gründet, konstruiert das lateinische Modell die Bedeutung der civitas auf den Wechselwirkungen einer Vielheit von cives unabhängig von deren Mitgliedsstatus. Wenn es wahr ist, dass sich jede praktizierte Sprache auf die Funktionen der Übersetzung stützt, dann sollte es möglich sein, einige Elemente der politischen Sprachen unserer Zeit als Spuren einer bestimmten „Umformulierung“ der Spannung zwischen diesen beiden Modellen zu analysieren, zumindest soweit es den europäischen Kontext betrifft. Die politische Festlegung der Grenzen ist nur eines dieser Elemente. Was aber ist die Rolle derer, die im gegenwärtigen Europa in diesem Prozess als „nicht-europäische BürgerInnen“ oder „europäische Nicht-BürgerInnen“ erachtet werden?

Stefan Nowotny

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