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03 2008

Die Grenze als Methode, oder die Vervielfältigung der Arbeit

Übersetzt von Therese Kaufmann und Tom Waibel

Sandro Mezzadra / Brett Neilson

Dieser Essay ist als Skizze eines größer angelegten Untersuchungs- und Schreibprojekts zu verstehen, an dem wir derzeit arbeiten.[1] In unserer Arbeit geht es um die starke Vermehrung von Grenzen in der heutigen Welt sowie um die Vielzahl der Rollen, die Grenzen in der gegenwärtigen Umgestaltung des Arbeitslebens spielen. In gewisser Weise versuchen wir, das wachsende Feld der „Border Studies“ neu zu fassen, indem wir uns über das übermäßige Interesse an den Themen Sicherheit und Identität hinausbewegen – oder, präziser, indem wir die Analyse gerade dieser Themen unter dem Blickwinkel der zentralen Rolle von Grenzen in der Produktion der tiefgreifenden Heterogenität von Raum und Zeit im globalen Kapitalismus neu bestimmen. In diesem Rahmen bemühen wir uns um eine Neubewertung des Marx’schen Begriffs der Arbeitskraft sowie um eine kritische Diskussion des Konzepts der „internationalen Arbeitsteilung“, wobei wir ebenso versuchen, einen Beitrag zur derzeit in den Cultural und Postcolonial Studies in Gang befindlichen Diskussion von Übersetzung zu leisten.

 
Die Grenze als Methode

Die Grenze ist für uns kein reines Analyseobjekt, auch wenn wir die Notwendigkeit erkennen, die empirischen Merkmale zu benennen und zu analysieren, die für jede Grenze gelten oder auf sie verweisen. Wie der Titel dieses Textes nahelegt, ist die Grenze für uns vielmehr eine Methode. Damit meinen wir nicht, dass die Grenze eine abstrakte Methodologie bietet, die von ihren materiellen Zusammenhängen losgelöst und in allgemeiner Weise auf beliebig viele empirische Situationen angewendet werden kann. Wir begreifen Methode als genau aus den vorhandenen materiellen Umständen hervorgehend, die im Fall von Grenzen die Bedingungen für Spannung und Konflikt, Trennung und Verbindung, Verschiebung und Verbarrikadierung, Leben und Tod sind. Die Grenze als Methode bedingt nicht nur eine epistemische Perspektive, von der aus eine ganze Reihe strategischer Begriffe sowie ihre Bezüge neu gefasst werden können. Die Grenze als Methode erfordert auch einen Forschungsprozess, der den vielfältigen Kämpfen und Verhandlungen stets Rechnung trägt und auf sie reagiert; dies betrifft nicht zuletzt die Auseinandersetzungen um „Rasse“, welche die Grenze sowohl als Institution wie auch als Anordnung sozialer Beziehungen konstituieren.

Wir sind davon überzeugt, dass eines der zentralen Merkmale der aktuellen Globalisierungsprozesse in der fortwährenden Neugestaltung unterschiedlicher geografischer Maßstäbe besteht, deren Stabilität nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann. Die Grenze als Methode setzt sich mit diesem Problem auseinander und versucht, die verschiedenen Formen von Mobilität zu verstehen, die unterschiedliche Räume durchqueren, sich überschneiden und damit gerade den Raumbegriff in seiner Konstitution zunehmend heterogen und komplex machen. Ein Teil dieser Komplexität wird in den begrifflichen Metaphern offenbar, die zur Beschreibung dieser Mobilitäten Verwendung finden. Es lässt sich nicht leugnen, dass die hydraulische Metapher der „Ströme“ die kritische Diskussion über die neuen Formen globaler Mobilität beinahe monopolisiert hat. Doch haben in den letzten Jahren einige wichtige ethnografische und anthropologische Arbeiten damit begonnen, die Vorherrschaft dieses Begriffs in Frage zu stellen, indem sie einzelne Fälle und Muster transnationaler Verbindungen in den Vordergrund gerückt haben, die besser durch andere Begriffswerkzeuge und Terminologien beschreibbar scheinen.

Zur Beschreibung der dichten globalen Verbindungen, die mit der Abholzung ausgedehnter Strecken auf der indonesischen Insel Kalimatan einhergehen und diese bestimmen, ersetzt Anna Tsing[2] beispielsweise die Metapher der „Ströme“ durch jene des Aushebens globaler Kanäle. Das Entscheidende daran ist, dass solche Verbindungen durch große Macht, Gewalt und Unternehmen geschaffen werden und nicht einfach bestehenden Wegen folgen. In ähnlicher Weise führt James Ferguson in seiner Arbeit über die Ausbeutung von Ressourcen im Afrika südlich der Sahara anstelle von „Strömen“ das Konzept globaler „Sprünge“ ein, um zu beschreiben, wie Bewegungen „die enklavenartigen Punkte des Netzwerks“ effizient miteinander verknüpfen können, „während sie die zwischen diesen Punkten liegenden Räume (mit gleicher Effizienz) ausschließen“.[3] Es geht nicht darum, die Strommetapher insgesamt zu disqualifizieren, sondern sich in Richtung eines analytischen Spektrums zu bewegen, in dem wir beginnen können, unterschiedliche Formen globaler Mobilität in einer Weise zu bestimmen, die durch einen einzelnen ethnografischen Fokus nicht möglich ist. Die Grenze ist jener methodologische Blickwinkel, der uns das Verständnis dieser heterogenen Mobilitäten ermöglicht. Indem wir uns selbst an die Grenze versetzen, versuchen wir ein Grenzdenken[4] zu entwickeln, das es uns erlaubt, die Produktion der tiefgreifenden Heterogenität von globalem Raum und globaler Zeit zu beschreiben.

 
Die Vervielfältigung der Arbeit

Zentral für jegliche Betrachtung der aktuellen globalen Prozesse ist die Tatsache, dass die Welt für Kapital- und Warenströme offener geworden ist, aber für die Zirkulation menschlicher Körper zunehmend geschlossener. Gleichwohl gibt es eine Art von Ware, die vom menschlichen Körper nicht getrennt werden kann, und die Besonderheit dieser Ware bietet einen Schlüssel zum Verständnis und zur Auflösung der erwähnten, scheinbar paradoxen Situation. Wir denken hier an die Ware Arbeitskraft, die ein Vermögen menschlicher Körper beschreibt und zugleich als Ware existiert, die auf den Märkten in unterschiedlichen geografischen Maßstäben gehandelt wird. Nicht nur ist die Arbeitskraft eine Ware, die sich von allen anderen unterscheidet, sondern auch die Märkte, in denen sie ausgetauscht wird, sind spezifisch, da die Rolle von Grenzen in der Gestaltung von Arbeitsmärkten besonders akzentuiert ist. Der an der Grenze stattfindende Filterungs- und Differenzierungsprozess bestimmt deutlich die Arbeitskräfte in verschiedensten Räumen und durch sie hindurch. Doch es besteht auch eine besondere Spannung innerhalb der abstrakten Warenform, die der Arbeitskraft innewohnt; sie leitet sich aus der Tatsache her, dass die Arbeitskraft nicht von lebendigen Körpern zu trennen ist. Im Gegensatz zur Warenform eines Tisches etwa muss die Grenze zwischen der Warenform der Arbeitskraft und ihrem „Behälter“ fortwährend aufs Neue bestätigt und neu gezogen werden. Darum involviert die politische und rechtliche Konstitution der Arbeitsmärkte notwendigerweise sich verändernde Regimes, die der Investition von Macht ins Leben dienen, was etwa die scharfe Trennung zwischen Souveränität und Gouvernementalität erschwert. Das ist auch der Grund, weshalb die mit der Konstitution dieser Märkte entstehende Dimension des Arbeitskampfs eine Konfrontation mit der Frage der Grenze in sich birgt.

Genau das Verhältnis zwischen Arbeitskraft und Arbeitskampf verknüpft die beiden Momente von Grenzverstärkung und Grenzüberschreitung, die wir in unterschiedlichen borderscapes[5] analysieren. Das bedeutet nicht, dass wir von einer stabilen oder linearen Anordnung ausgehen, durch die sich das Verhältnis von Arbeitskräften, Grenzen und politischen Prozessen in verschiedenen subjektiven und objektiven Situationen denken ließe. Wir versuchen die stetigen und unvorhersagbaren Veränderungen dieser Arrangements zu markieren, indem wir den Begriff der Vervielfältigung der Arbeit einführen. Er beschreibt einerseits die Intensivierung des Arbeitsprozesses und die Tendenz der Arbeit, Lebenszeit zu kolonisieren; andererseits geht er mit dem geläufigeren Begriff der internationalen Arbeitsteilung einher und ergänzt ihn zugleich. Durch die Umkehrung dieses klassischen Begriffs aus der politischen Ökonomie wollen wir vor allem die Orthodoxie infrage stellen, die das globale Spektrum der Arbeit gemäß internationaler Unterteilungen oder stabiler Anordnungen kategorisiert, etwa dem 3-Welten-Modell oder jenen Modellen, die um Binaritäten wie Zentrum/Peripherie oder Nord/Süd geschaffen wurden. Wir versuchen auch, die Kategorien neu zu denken, durch die eine Hierarchisierung der Arbeit innerhalb von Arbeitsmärkten bestimmt wird, wie auch immer diese definiert oder begrenzt sein mögen.

Im Begriff der Vervielfältigung der Arbeit geht es um den Versuch, das Verhältnis von Arbeit und Macht neu zu denken (sowie natürlich die klassische Verknüpfung der Arbeits-Kraft), und zwar in Bezug auf die Schichtung und Heterogenität des Raums im aktuellen Übergang des globalen Kapitals. Wenn wir mit Nicholas De Genova[6] die inhärente Verknüpfung von Arbeit und Raum als sowohl begriffliche wie auch materielle Koordinaten dieses Übergangs annehmen, so folgt daraus, dass sich die Art dieser Verknüpfung in unterschiedlichen Szenarien verändern kann. Insbesondere wollen wir festhalten, dass die Heterogenisierung des globalen Raums einerseits eine Explosion der etablierten Geografien der Nationalstaaten mit sich bringt und andererseits eine Implosion, die scheinbar eigenständige Territorien und AkteurInnen in unerwartete Verbindungen zwingt, welche die Prozesse der Produktion und der Ausbeutung von Arbeit erleichtern. Dies führt zu einer Situation, die weit über die klassischen Bilder der internationalen Arbeitsteilung hinausgeht und auch an die Stelle dessen tritt, was in den späten 1970er-Jahren vom deutschen Sozialwissenschaftler Froebel und anderen[7] als „neue internationale Arbeitsteilung“ bezeichnet wurde. Diese beinhaltete die Verschiebung der materiellen Produktion von entwickelten zu weniger entwickelten Staaten, begleitet von einer gesteigerten Rolle multinationaler Unternehmen sowie den Effekten der Deindustrialisierung und Dependenz.

Der Begriff der internationalen Arbeitsteilung hat eine komplexe Genealogie, die auf Debatten der klassischen politischen Ökonomie zurückgeht. Es genügt hier festzuhalten, dass der Begriff zumindest seit den 1920er- und 1930er-Jahren zur Beschreibung der Trennung der Welt in eigenständige Arbeitsmärkte erstarrte, die einerseits durch die Grenzen der Nationalstaaten und andererseits durch die Trennung von Zentrum und Peripherie umschrieben wurden. Die Schriften von Jacob Viner[8] sind in dieser Hinsicht von besonderer Bedeutung. Durch die Infragestellung des Begriffs einer internationalen Arbeitsteilung wollen wir nicht das offensichtliche Argument vorbringen, dass das internationale Staatensystem heute in hohem Maß von transnationalen und globalen Prozessen überlagert wird. Die bloße Ersetzung des Adjektivs „international“ durch „transnational“ oder „global“ ist als theoretischer Schritt nicht ausreichend, um angemessene begriffliche Mittel für die Analyse der gegenwärtigen Übergangsprozesse und deren Folgen für Migration, Arbeit und Grenzkontrolle zu erlangen.

In Wirklichkeit haben diese transnationalen Prozesse immer schon bestanden, und obwohl die vielen Anstrengungen in den letzten Jahrzehnten, ihre Zunahme nachzuvollziehen, von einigem analytischen und erklärenden Nutzen sind, besteht nach wie vor die Notwendigkeit, sich mit der – gespenstischen oder sonstigen – Fortdauer der Nationalstaaten auseinanderzusetzen. Ob man Saskia Sassens Begriff eines „Umschlagspunkts“[9], an dem der Nationalstaat sich in die neue globale Organisationslogik eingliedert, akzeptiert, oder die Argumentation von Hardt und Negri, derzufolge der Nationalstaat als Monopolist der souveränen Macht von der entstehenden „gemischten Konstitution“[10] des Empire ersetzt wurde, besteht doch die Notwendigkeit anzuerkennen, dass der globale Kapitalismus an verschiedenen Orten mit besonderen Formen einhergeht und spezielle Strategien und Praktiken übernimmt. In seiner Ausbreitung in China etwa nimmt der Neoliberalismus Formen an, die sich deutlich von den im Kontext repräsentativer Demokratien in Europa und Nordamerika etablierten unterscheiden.[11]

Die starke Vermehrung von Grenzen steht in einem Verhältnis zu dieser komplexen Differenzierung des Kapitalismus und verweist auf ein Modell einer räumlichen Artikulation der Hegemonie des Kapitals, das sich deutlich von dem unterscheidet, was im Begriff der internationalen Arbeitsteilung und im Zentrum-Peripherie-Modell zum Ausdruck gebracht wird. Wenn die Grenze zwischen Zentrum und Peripherie nicht das einzige oder nicht einmal das wichtigste Trennungsdispositiv ist, das wir in zeitgenössischen Formen der Ausgestaltung der Geografie der Produktion, der Ausbeutung sowie der Kontrolle von Arbeitsmobilität antreffen, dann ist es auch erforderlich, die Vorrangstellung der Teilung als Konzept zur Beschreibung der Organisation und Ausbeutung von Arbeit neu und komplexer zu denken. In diesem Sinn sprechen wir von einer Vervielfältigung der Arbeit, die mit der starken Vermehrung von Grenzen einhergeht. Es ist wesentlich festzuhalten, dass die Vervielfältigung eine Teilung nicht ausschließt; wie gesagt, es geht uns nicht darum, Begriffe zu ersetzen. Tatsächlich impliziert die Vervielfältigung eine Teilung; oder, stärker noch, wir können die Vervielfältigung als eine Form der Teilung begreifen. Wenn wir von der Vervielfältigung der Arbeit sprechen, wollen wir auf die Tatsache verweisen, dass die Teilung in grundsätzlich anderer Weise wirksam wird, als dies in einer gemäß dem Rahmen der internationalen Arbeitsteilung konstruierten Welt der Fall ist. Die Teilung tendiert dazu, aufgrund einer fortwährenden Vervielfältigung von Kontrolldispositiven zu funktionieren, die der Vervielfältigung von Arbeitsregimen sowie den Subjektivitäten, die in diese einbezogen sind, entsprechen, und zwar innerhalb jedes einzelnen der Räume, die in den Modellen internationaler Arbeitsteilung als eigenständig konstruiert werden. Die logische Konsequenz daraus ist das Vorhandensein besonderer Arten von Arbeitsregimen quer zu unterschiedlichen globalen und lokalen Räumen. Das führt zu einer Situation, in der die Arbeitsteilung in einer Vielfalt überlappender, in sich heterogener Räume betrachtet werden muss.

Damit sollte nun deutlich geworden sein, dass unsere Kritik am Begriff der „internationalen Arbeitsteilung“ nicht auf die Idee eines „glatten“ Raums des globalen Kapitalismus verweist. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Wir heben vielmehr die Tatsache hervor, dass die zunehmende Herrschaft „abstrakter“ Mächte wie Wissen und Finanz im heutigen Kapitalismus einer tiefgreifenden Heterogenität von Arbeitsregimen und Arbeitspositionen entspricht. Die starke Vermehrung der Grenzen spielt eine Schlüsselrolle in der Artikulation dieser Heterogenität und ihrer Einbindung in größere globale Kreisläufe. Die Vervielfältigung der Verbindungs- und Trennungselemente bringt eine vielschichtige Geografie des zeitgenössischen Kapitalismus hervor: Diese Geografie ist selbstverständlich von gewaltigen Teilungen in Bezug auf Macht und Reichtum geprägt, doch stellt ihre Komplexität nicht nur in zunehmendem Maße bestimmte Bilder infrage, wie etwa das der „drei Welten“ oder jenes des „globale Nordens“ gegen „den globalen Süden“, sondern sie stellt sich auch jeglichem starren Gebrauch von Begriffen wie „Zentrum“ und „Peripherie“ entgegen, die entworfen wurden, um ein einheitliches Bild der „internationalen Arbeitsteilung“ zu zeichnen.

In den vielen Fällen dieser starken Vermehrung von Grenzen, die wir in unserer Untersuchung analysieren und die von Afrika bis zu den inneren Grenzen Chinas, von den „Außengrenzen“ der Europäischen Union bis zur US-amerikanisch-mexikanischen Grenze, von Australiens „Pazifiklösung“ bis zum Grenzland Bengalens reichen, zeichnen wir unterschiedliche Filterungs- und Schichtungsregime nach, die als Mittel zur Schichtung und Kontrolle migrantischer Arbeit dienen. Durch diese Mobilität und die starke Vermehrung von Grenzen erfahren die Teilungen und Hierarchien, die eine notwendige Eigenschaft für die Organisation der Arbeit im Kapitalismus darstellen, eine beispiellose Intensität und Verbreitung. Mit dem Begriff der Vervielfältigung der Arbeit zu operieren bedeutet, solche Teilungen nicht als nur gegeben, sondern immer als produziert, aufgezwungen und erneut auferlegt zu verstehen, und zwar häufig in Reaktion auf die Migrationsbewegungen selbst. Es gibt hier zugleich einen regierbaren und einen unregierbaren Aspekt dieser Operationen der Vervielfältigung. Da die Arbeitskraft in verschiedene Teile der Welt reist, Grenzen ausweicht, verschleiert, überquert und neu schafft, ist ihre Mobilität auch von realen und gewaltsamen Prozessen der Subjektivierung bestimmt, die zunehmend in der Zeitlichkeit der Blockierung, Entschleunigung und Beschleunigung ebenso wie in den damit zusammenhängenden Prozessen einer differenzierten Inklusion stattfinden.

 
Im Raum der zeitlichen Grenzen

In seinem Buch Global Body Shopping legt Xiang Biao einen ethnografischen Bericht über das indische Arbeitssystem vor, das – unter dem Begriff body shopping – für die transnationale Mobilität indischer IT-ArbeiterInnen bekannt ist.[12] Es handelt sich dabei um ein komplexes System, in dem BeraterInnen in der ganzen Welt daran arbeiten, IT-ArbeiterInnen aus Indien zu rekrutieren, ihre Überstellung in verschiedene Länder zu arrangieren und sie dann den KundInnen für projektbezogene Arbeiten zu vermitteln. Indem es zwischen den Anforderungen der Unternehmen und den gesetzlichen Migrationsbestimmungen der Aufnahmeländer vermittelt, ermöglicht dieses transnationale Arbeitssystem die Anpassung der mobilen Arbeit an das volatile Kapital, und zwar oftmals durch Methoden des Aufschubs oder durch Praktiken, welche die unterbezahlte Arbeit oder Investitionen von Familienmitgliedern in Indien ausbeuten. Xiangs Buch ist ein sehr bedeutender Beitrag zur aktuellen Debatte über globale Prozesse und ihre Verknüpfung mit „lokalen“ Veränderungen: Es eröffnet insbesondere neue Perspektiven auf Begriffe wie Ethnisierung und Transnationalisierung. Hier jedoch interessiert uns ein präziserer Punkt, der uns den Schritt von räumlichen zu „zeitlichen“ Grenzen ermöglicht.

Damit das body shop-System funktioniert, werden Arbeitsagenturen benötigt, die spezifische Mechanismen und gesetzliche Schlupflöcher in den Rechtsprechungen jener Länder ausfindig machen, in welche die ArbeiterInnen reisen. Damit ist Xiangs Feldforschung in Sydney, Australien, beschäftigt. Das Visum 457, das die Einreise von gelernten ArbeiterInnen mit Finanzierung der ArbeitgeberInnen erlaubt, ermöglichte es den body shops, ArbeiterInnen finanziell zu unterstützen und sie dann unter flexiblen, sonst aufgrund der Förderungsbestimmungen nicht erlaubten Bedingungen an Industrie und Verwaltung zu vermitteln. Die Analyse dieser Praktiken erlaubt es Xiang, eine allgemeine Aussage über die in Veränderung begriffene Logik von Arbeitsangebot und Nachfrage in der IT-Industrie zu treffen:

„Ob es eine tatsächliche Kluft zwischen Nachfrage und Angebot im Bereich der IT-Arbeit gab oder nicht, ist von geringer Bedeutung; worum es geht, ist der Wunsch der ArbeitgeberInnen nach einem sich stets vergrößernden Arbeitsangebot, um die Dynamik der Expansion beizubehalten. Im Gegensatz zu einem tatsächlichen Mangel, kann ein solcher virtueller Mangel niemals ausgeglichen werden, da mehr Angebot voraussichtlich mehr Mangel schafft. Deshalb kann die Koexistenz eines Mangels an gelernten Arbeitskräften und eines erheblichen Maßes an Arbeitslosigkeit unter qualifizierten Kräften ein langfristiges Merkmal der New Economy darstellen, ein Merkmal, das in der gängigen Praxis zum Ausdruck kommt, ArbeiterInnen in den body shops auf der Wartebank zu halten [benching], während zugleich noch weitere angeworben werden.“[13]

Die Praxis des benching, auf die hier Bezug genommen wird, bedeutet das In-Reserve-Halten von body shop-ArbeiterInnen, denen während dieser Wartezeit äußerst wenig für den Verleih an Privat- und Verwaltungsunternehmen bezahlt wird. Dieses System des benching und der damit einhergehenden Schaffung eines „virtuellen Mangels“ kann als Technik zur zeitlichen Steuerung des IT-Arbeitsangebots in Beziehung zur Nachfrage begriffen werden. Aus der Perspektive der wartenden ArbeiterInnen ist dies eine Zeit erzwungener Suspendierung, in der ihre teuer erworbenen kognitiven Fertigkeiten verschwendet und doch zugleich stets erneuert werden, da sie gleichzeitig ungelernte Tätigkeiten als TaxifahrerInnen und VerkäuferInnen ausüben. Hier sehen wir wiederum die Vervielfältigung der Arbeit in Aktion. Die Teilung von gelernter und ungelernter Arbeit fällt in sich zusammen, da beide Tätigkeiten von ein und derselben Person ausgeübt werden. Genauer noch können wir sagen, dass die Klassifizierung von gelernter und ungelernter Arbeit selbst neu gedacht werden muss, und zwar in einem dynamischen Zeitrahmen, der über traditionell geschlossene Modelle von Angebot und Nachfrage, Ausgleich von Arbeitslosigkeit und Inflation, Bruttoinlandsprodukt sowie Push- und Pullfaktoren in der Migration usw. hinausgeht.

Allzu oft führte der sogenannte spatial turn in den Studien über Kapitalismus und Globalisierung zu einer Vernachlässigung der zeitlichen Dimensionen, die sich mit transnationalen Bewegungen, Konflikten, Blockierungen und Stillständen verbinden. Wir möchten nicht die wertvollen Beiträge und Erkenntnisse verleugnen, die von TheoretikerInnen wie David Harvey, Doreen Massey und Neil Smith in dieser Hinsicht erbracht wurden; doch die spezifisch zeitliche Dynamik, die wir hervorheben wollen, vermag jenen konfliktiven Prozessen einen tieferen Sinn zu verleihen, um die es geht, wenn Praktiken von globaler Mobilität und Stillstand die Konstitution von Subjektivität in verschiedene zeitliche und räumliche Anordnungen einschreiben. Nehmen wir das Beispiel der Abschiebelager an den Grenzen Europas. Von einer räumlichen Perspektive her gesehen handelt es sich um strategisch verortete Räume, die eine entscheidende Rolle für die Etablierung und Befestigung der Grenzen spielen. Sie sind Teil einer ausgefeilten Ansammlung von Technologien der Grenzkontrolle, die von Staaten und von der EU eingesetzt werden, um die Passage von MigrantInnen in europäisches Territorium und aus ihm heraus zu selektieren und zu filtern. Wenn wir jedoch die zeitliche Dimension hervorheben, dann muss dieses Element geografischer Kontrolle im Licht einer asynchronen Rhythmik von Verhaftung, Transit, Verlängerung und Beschleunigung überdacht werden, die nicht nur die subjektiven Erfahrungen von in Bewegung befindlichem Körper und Geist durchkreuzen, sondern auch entscheidend sind für die Einschreibung dieser Bewegung in die Dynamiken des Arbeitsmarkts sowie in die soziale und symbolische Struktur von BürgerInnenschaft.

Das wurde von einer als TransitMigration bekannten transnationalen ForscherInnengruppe nachgewiesen, die etwa die subjektiven Erfahrungen von MigrantInnen hervorgehoben hat, die in der Ägäisregion verhaftet wurden, in der die Abschiebelager mehr als Eintrittspunkte in den europäischen Raum denn als Punkte seines Verlassens dienen. Panagiotidis und Tsianos schreiben: „Das Regieren über Migrationsbewegungen bedeutet, ihre Dynamik in Zeitzonen abgestufter Mobilität zu lenken, sodass aus unregierbaren Strömen regierbare Mobilitätssubjekte gemacht werden.“[14] Andrijašević erklärt, dass dieser Zugang, „die progressive Linearität, in der migrantische Reisen üblicherweise dargestellt werden (das heißt als Bewegung von A/Ursprung nach B/Ziel)“ durchbricht und „die Aufmerksamkeit auf die Unterbrechungen und Diskontinuitäten wie Warten, Verstecken, unerwartete Ablenkungen, Niederlassungen, Zwischenaufenthalte, Fluchten und Rückkehr lenkt“[15]. In ihrem Text über die Lager in den südlichen Nachbarstaaten der EU argumentiert sie, dass deren Zweck nicht im Verhindern oder Blockieren migratorischer Bewegungen im Allgemeinen besteht, sondern in der Regulierung von Zeitlichkeit und Geschwindigkeit der Migrationen. Das ermöglicht die Entwicklung des Begriffs „zeitliche Grenzen“[16], die mit räumlichen Grenzen nicht deckungsgleich sind, sondern vielmehr dazu dienen, diese umzugestalten, zu befestigen und abzuschwächen.

Eine Möglichkeit, die Verknüpfungen zwischen dem System verwaltungsmäßiger Inhaftierung und der Gestaltung von Arbeitsmärkten begrifflich zu erfassen, ist die Beschreibung des Abschiebelagers als eine „Druckverminderungskammer“[17], die dazu dient, auf grausamste Weise die konstitutiven Spannungen auszugleichen, die der Existenz von Arbeitsmärkten selbst zugrunde liegen. Die von Xiang Biao beschriebene Praxis des benching, des Verfügbarhaltens von Arbeitskräften, kann aus diesem Blickwinkel als eine besondere Art der Inhaftierung angesehen werden, selbst wenn sie keine gewaltsame Gefangenschaft bedeutet. Es geht um eine Praxis der Grenzziehung (bordering), die Folgen hat für Beschäftigung und Ausbeutung innerhalb eines spezifischen gesetzlichen Rahmens (in diesem Fall des australischen Visums 457 der ArbeitgeberInnenförderung für qualifizierte MigrantInnen). Während eine solche Grenzziehung offensichtlich eine Teilung innerhalb des Arbeitsmarkts mit sich bringt (etwa die Trennung der von Xiang untersuchten body shop-ArbeiterInnen von den regulären IT-ArbeiterInnen des australischen nationalen Arbeitsmarkts), impliziert sie auch eine klare Vervielfältigung der Arbeit (die feststellbar wird, wenn wir die globale Dimension der body shop-Praktiken betrachten – die Beziehungen dieser ArbeiterInnen zu ihren Angehörigen in Indien, zu vergleichbaren IT-ArbeiterInnen in den USA, zu ZwischenhändlerInnen an Orten wie Singapur und Kuala Lumpur usw.). Wenn uns die Erfahrungen aus den Abschiebelagern erlauben, etwas von den Erfahrungen des benching zu begreifen, so trifft auch das Gegenteil davon zu. Vom Punkt des benching her gesehen erscheinen die Abschiebelager viel stärker mit der Produktion und Reproduktion der spezifischen Ware Arbeitskraft verknüpft als mit der Ausübung souveräner Macht über das „bloße Leben“.[18] Der von uns als Vervielfältigung der Arbeit bezeichnete Ansatz erfordert demnach ein Überdenken sowohl der von Foucault eingeführten Teilung von Souveränität und Gouvernementalität als auch der für diese beiden Kategorien konstitutiven zeitlichen und räumlichen Verhältnisse.

Es geht nicht darum, ein Entweder-oder zwischen die Begriffe von Souveränität und Gouvernementalität zu setzen, sondern vielmehr darum, in jeder angemessenen Analyse der gegenwärtigen Machtverhältnisse und der damit einhergehenden Subjektivierungsdynamiken beide in Funktion zu halten. Wesentlich für das Verständnis der Interaktion dieser Formen oder Strategien der Machtausübung ist eine Analyse der Art und Weise, wie Grenzen in der zeitgenössischen globalen Ordnung nicht einfach als Dispositiv des Ausschlusses, sondern als Technologien differenzieller Inklusion dienen. So gesehen legen die Dispositive und Praktiken der Grenzverstärkung die Bedingungen fest, unter denen eine Grenzüberschreitung möglich ist und tatsächlich praktiziert und erfahren wird. Metaphern wie die Festung Europa unterschätzen das Ausmaß, in dem die selektive Filterung der Arbeitsmobilität für die ökonomische Nachhaltigkeit Europas und seiner Mitgliedstaaten zentral ist, insbesondere was die Aufrechterhaltung der Pensionssysteme betrifft. Ebenso ist es erforderlich zu erkennen, dass Grenzen, wie Étienne Balibar sagt, sich nicht länger nur „am Rande des Staatsgebiets“ befinden und „den Punkt markieren, an dem das Territorium aufhört“, sondern sich „in den politischen Raum verlagert[19] haben.

 
Übersetzung jenseits von Äquivalenz und Artikulation neu denken

Der Begriff der Vervielfältigung der Arbeit ermöglicht es uns, die derzeitigen Debatten über soziale Inklusion neu zu denken, und zwar weit über die üblichen Belange von Ungleichheit, Armut, Wohlfahrt usw. innerhalb eines einzelnen Nationalstaats hinaus. Inklusion ist in dieser Perspektive kein unzweideutiges soziales Gut, sondern ein differenzielles System der Filterung und Schichtung, das als Maßnahme zur Hierarchisierung und Kontrolle fungiert. Es geht dabei darum, die politische Konstitution der Gesellschaft in einer Form zu denken, die über das vertraute Argument hinausgeht, eine Gesellschaft definiere sich selbst durch den Akt des Ausschlusses. Es gibt viele Varianten dieses Arguments, doch eine seiner anspruchsvollsten aktuellen Ausarbeitungen lässt sich in Ernesto Laclaus Arbeit über den Populismus finden. Laclau argumentiert, dass Gesellschaft sich nur durch den Ausschluss als Totalität konstituieren kann. Für ihn bedingt ein solcher Ausschluss „die Spaltung aller Identität zwischen ihrem differenziellen Wesen, das sie mit anderen Identitäten verbindet und zugleich von ihnen trennt, sowie ihrer äquivalentiellen Verbindung mit allen anderen gegenüber dem ausgeschlossenen Element“[20]. Damit das ausgeschlossene Element zu einer populistischen Bewegung werden kann, muss es einen „teilweisen Verzicht“ auf die Besonderheiten leisten, aus denen es zusammengesetzt ist, und sich um das „bemühen, was alle Besonderheiten äquivalenterweise gemeinsam haben“[21]. Da differenzielle Besonderheiten jedoch entlang dieser „Äquivalenzkette“ miteinander verknüpft sind, wird ihre Bedeutung bis zu dem Punkt abgeschwächt, an dem „populäre Identität als tendenziell leerer Signifikant fungiert“[22]. Eine populistische Bewegung wird damit „zu einer Partialität, die als die Totalität der Gemeinschaft fungieren will“[23] und dadurch eine „innere Grenzlinie“ innerhalb der Gesellschaft zieht.

Eine solche „innere Grenzlinie“ ist sehr verschieden von dem, was wir mit Balibar eine „innere Grenze“ nennen. Zunächst begreift Laclau die Konstitution des „Volks“ als Ergebnis einer populistischen Identifizierung, die eine etablierte Macht immer nur innerhalb bestehender Grenzen – sei es zwischen politischen Territorien oder zwischen bestehenden institutionellen Formen – herausfordert. Laclaus Co-Autorin Chantal Mouffe schreibt: „Es gibt keinen Konsens ohne Ausschluss, es gibt kein ‚Wir‘ ohne ein ‚Sie‘ und keine Politik ist möglich ohne eine Grenzziehung.“[24] Die beiden TheoretikerInnen bestimmen die Beziehungen, die soziale Praxen und Kämpfe zur politischen Artikulation unterhalten, über die Nachbildung eines Modells, in dem die Ersteren nur partikulär sind und damit unfähig zur Produktion neuer politischer Formen außerhalb der bestehenden institutionellen Architektur von Nationalstaaten und internationalen Beziehungen. Artikulation fungiert als ein Moment der Vereinnahmung dieser Partikularität in einem Äquivalenzschema, das nicht hinterfragt wird und das sich zumeist einfach endlos vermehrt. Darüber hinaus wird diese Äquivalenzlogik zur eigentlichen Basis für das Gemeinschaftliche, auf der politische Auseinandersetzung möglich ist.

Die Perspektive der Vervielfältigung der Arbeit unterstreicht nicht die Vermehrung der Bedeutung entlang einer Äquivalenzkette, sondern die Vermehrung von Grenzen, welche quer durch bestehende politische Räume schneiden und diese überschreiten. Eine logische Konsequenz davon ist das System der differenziellen Inklusion, das – weit entfernt von einer Konstitution des Politischen durch Ausschluss – einen selektiven Prozess der Inklusion nahelegt, der darauf hinweist, dass jegliche Totalisierung des Politischen kontingent und Prozessen der Auseinandersetzung unterworfen ist. Tatsächlich sehen wir die Grenze als einen Ort intensiven materiellen Konflikts, zu dem Leben und Tod, Teilung und Verbindung, Durchquerung und Verbarrikadierung allesamt gehören. Daraus folgt, dass es in der Konstruktion des Gemeinschaftlichen nicht um den Einsatz der Differenz innerhalb einer Äquivalenzlogik geht, die alle differenziellen Forderungen im Namen eines leeren Populismus abschwächt. Unserer Meinung nach kann das „Volk“ niemals etwas anderes sein als die von bestehenden politischen Formen konstituierten Subjekte und damit eben jenes Konstrukt, das durch Grenzüberschreitung und die Produktion von Subjekten in Transit angefochten wird.

Es geht nicht darum, sich eine einfache Allianz oder Solidarität zwischen den äußerst heterogenen Erfahrungen und Arbeitsmarktpositionen unterschiedlicher MigrantInnen und Subjekten in Transit vorzustellen oder zu fantasieren. Diese Figuren als Exemplifizierungen des Prozesses der Vervielfältigung der Arbeit zu betrachten bedeutet vielmehr die Hervorhebung bestimmter Gemeinsamkeiten in ihrer Einbindung in Arbeitsmärkte, in denen die Kontinuität und Stabilität der Produktion und Reproduktion von Arbeitskraft nicht länger für gesichert gehalten werden kann. Die Form der gegenseitigen Verbindung solcher Subjekte ist keine Artikulation, die alle Differenzen in Äquivalenzen zusammenfallen lässt, sondern vielmehr ein Prozess der Übersetzung, von dem Naoki Sakai schreibt, dass er nicht als eine „Kommunikationsform zwischen zwei voll ausgebildeten, verschiedenen, aber vergleichbaren Sprachgemeinschaften“[25] begriffen werden darf. In der Ausarbeitung eines solchen Übersetzungsbegriffs geht es auch um das Hinterfragen der Logik des Austausches, die genau jene Kapitalstruktur untermauert, die über den fortwährenden Ausgleich zwischen heterogenen Werten vermittels ihrer Einfügung in das allgemeine Äquivalent Geld operiert. Indem die Übersetzung außerhalb des Rahmens von Äquivalenz und neutraler Entscheidung neu bestimmt wird, ist es möglich, Muster der Vervielfältigung und Bedeutungsvermehrung auszumachen, die nicht in einer politisch entmachtenden Zerstreuung von Kräften und Allianzen resultieren. Umgekehrt bedeutet ein solcher heterolingualer Ansatz von Übersetzung[26] nicht die Reduktion politischen Denkens und Handelns auf eine Reihe willkürlicher Artikulationen, die trotz allem von den bestehenden institutionellen Arrangements beschränkt sind.

Die Neuformulierung des Politischen in diesem Rahmen heißt nicht, seine konfliktuelle Dimension zu verdunkeln oder zu vernachlässigen. Die Praxis und Erfahrung der Kämpfe ist nicht unvereinbar mit einer Praxis der Übersetzung, die nicht versucht, alle Sprachen auf einer Ebene zu nivellieren. Eine solche Übersetzung führt jedoch zur Frage, wie eine Politik des Kampfs, in der man entweder gewinnt oder verliert, quer zu einer Politik der Übersetzung gedacht werden kann, in der man üblicherweise gleichzeitig sowohl etwas gewinnt als auch etwas verliert. Dazu ist eine Neuorientierung des Politischen erforderlich, die diese beiden Momente sowie ihre verschiedenen möglichen Zeitlichkeiten zulässt. Weder geht es um eine Politik des Ereignisses, die das Moment des Aufstands und des Bruchs in den Vordergrund stellt, noch um eine Politik der Artikulation, welche die Möglichkeiten kontingenter sozialer Arrangements zu strategischen und begrenzten Auseinandersetzungen hervorhebt. Durch die gleichzeitige Betonung der Kämpfe und der notwendigen Übersetzungsarbeit, die beide für jedwede Konstruktion des Gemeinschaftlichen konstitutiv sind, wollen wir zeigen, dass die Vervielfältigung der Arbeit und die Vermehrung von Grenzen bei jedem Versuch der Ausarbeitung eines neues Begriffs des Politischen in Erwägung gezogen werden müssen.



[1] Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden in Buchform publiziert werden.

[2] Anna Lowenhaupt Tsing, Friction. An Ethnography of Global Connection, Princeton (NJ) u. Oxford: Princeton University Press 2005.

[3] James Ferguson, Global Shadows. Africa in the Neoliberal World Order, Duhram (NC) u. London: Duke University Press 2006, S. 47.

[4] Walter D. Mignolo, Local Histories/Global Designs. Coloniality, Subaltern Knowledges, and Border Thinking, Princeton: Princeton University Press 2000.

[5] Zu diesem Begriff vgl. Prem Kumar Rajaram/Carl Grundy-Warr (Hg.), Borderscapes. Hidden Geographies and Politics at Territory’s Edge, Minneapolis u. London: University of Minnesota Press 2007.

[6] Nicolas de Genova, „The Deportation Regime: Sovereignty, Space, and the Freedom of Movement“, demnächst veröffentlicht in: Nicholas de Genova/Nathalie Peutz (Hg.), Deported: Removal and the Regulation of Human Mobility, Durham: Duke University Press.

[7] Folker Froebel/Jürgen Heinrichs/Otto Kreye, Die neue internationale Arbeitsteilung, Hamburg: Rowohlt 1977.

[8] Jacob Viner, International Economics, Glencoe (Ill.): Free Press 1951.

[9] Saskia Sassen, Das Paradox des Nationalen. Territorium, Autorität und Rechte im globalen Zeitalter, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2008, S. 259–355.

[10] Michael Hardt/Toni Negri, Empire, Die neue Weltordnung, Frankfurt a.M.: Campus 2002, S. 315ff.

[11] Hui Wang, China’s New Order: Society, Politics and Economy in Transition, Cambridge (MA): Harvard University Press 2003.

[12] Biao Xiang, Global „Body Shopping“. An Indian Labour Regime in the Information Technology Industry, Princeton (NJ): Princeton University Press 2007.

[13] Ebd. S. 17.

[14] Efthimia Panagiotidis/Vassilis Tsianos, „Denaturalizing ‚camps‘: Überwachen und Entschleunigen in der Schengener Ägäis-Zone“, in: Transit Migration Forschungsgruppe (Hg.), Turbulente Ränder. Neue Perspektiven auf Migration an den Grenzen Europas, Bielefeld: Transcript Verlag 2007, S. 82.

[15] Rutvica Andrijašević, „From Exception to Excess: Detention and Deportations in Contemporary Europe“, demnächst veröffentlicht in: Nicholas de Genova/Nathalie Peutz (Hg.), Deported: Removal and the Regulation of Human Mobility, Durham: Duke University Press.

[16] Enrica Rigo, Europa di confine. Trasformazioni della cittadinanza nell’Unione allargata, Roma: Meltemi 2007.

[17] Sandro Mezzadra/Brett Neilson, „Né qui, né altrove – Migration, Detention, Desertion: A Dialogue“, in: Borderlands, e-journal 2,1 (www.borderlandsejournal.adelaide.edu.au/issues/vol2no1.html).

[18] Giorgio Agamben, Homo Sacer. Souveräne Macht und bloßes Leben, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2002.

[19] Etienne Balibar, Sind wir Bürger Europas? Politische Integration, soziale Ausgrenzung und die Zukunft des Nationalen, Hamburg: Hamburger Edition 2003, S. 156.

[20] Ernesto Laclau, On Populist Reason, London: Verso 2005, S. 78.

[21] Ebd.

[22] Ebd., S. 96.

[23] Ebd., S. 81.

[24] Chantal Mouffe, Über das Politische. Wider die kosmopolitische Illusion, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2007.

[25] Naoki Sakai, Translation and Subjectivity. On ‚Japan‘ and Cultural Nationalism, Minneapolis u. London: University of Minnesota Press 1997, S. 15.

[26] Sandro Mezzadra, „Leben im Übergang. Zu einer heterolingualen Theorie der Multitude“, in: transversal 06/2007, http://eipcp.net/transversal/1107/mezzadra/de.

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