04 2007 Übersetzung als GrenzüberschreitungEine Fallstudie der Übersetzungen des Wortes „Feminismus“ ins Chinesische durch die CSWSÜbersetzt von Hito Steyerl Der Hintergrund Seit den späten 1980er Jahren habe ich feministische Theorien und Texte zur Geschlechterforschung aus dem Englischen ins Chinesische übersetzt. Obwohl ich mir der Schwierigkeiten bewusst bin, die bei der Übersetzung eines akademischen Textes in einen anderen bestehen, hatte ich dabei bis 1997 wenig Probleme, als zwei Ereignisse mich dazu zwangen, meine Einstellung zu überdenken. Eines davon war meine Beteiligung an Diskussionen, die um die Übersetzung des Textes „Feministische Philosophie in China“, und zwar aus dem Englischen ins Chinesische und wieder zurück, geführt wurden.[1] Das andere war meine Beteiligung an den Debatten darüber, wie der Begriff „Feminismus“ ins Chinesische zu übersetzen sei, die von der ausländischen Chinese Society for Women’s Studies (CSWS) 1994 und 1997 geführt wurden.[2] Beide Vorgänge brachten mich zur Erkenntnis, dass in den gegenwärtigen Zeiten der Globalisierung Übersetzungsangelegenheiten von zentraler Bedeutung sind, wenn wir einen sinnvollen Dialog über die Grenzen von Sprachen und Kulturen hinweg führen wollen. Was mich jedoch verstörte, war die Frage, worüber wir uns Gedanken machen sollten, wenn wir übersetzen. Ist Übersetzung eine Frage des „Suchens nach den richtigen Worten“ oder gibt es etwas jenseits dieser Worte? Und wenn das so ist, was ist das genau? Indem ich diese Fragen als Ausgangspunkt einer Diskussion des Problems der Übersetzung stellte, fand ich heraus, dass es eine bemerkenswerte Entwicklung des Übersetzungsbegriffs gegeben hatte, die nicht nur Diskussionen über dieses Thema im Hinblick auf semiotische Prozesse in den Translation Studies betrifft, sondern sich auch auf kulturelle Übersetzung im Feld der Anthropologie bezieht. Insbesondere in der Perspektive der kulturellen Übersetzung, die mir dabei half, meine Verstörung zu überwinden, ist jeder Prozess der Beschreibung, Interpretation und Verbreitung von Ideen immer schon in Machtverhältnisse und Asymmetrien entlag von allen möglichen Grenzen zwischen Sprachen, Regionen und Menschen verwickelt.[3] In diesem Text werde ich die Debatten über die Übersetzung des Begriffs „Feminismus“ ins Chinesische im Rahmen der CSWS verwenden, um die Prozesse der Übersetzung zu untersuchen. Mein Fokus liegt aber nicht auf der Übersetzung im herkömmlichen Sinn des Wortes und noch weniger auf seinen technischen Aspekten. Ich verstehe Übersetzung als einen Prozess der Verhandlung, in den ÜbersetzerInnen eintreten, die zwischen verschiedenen Sprachen und Kulturen angesiedelt sind. „Dazwischen“ verweist hier auf jenen „Raum der Übersetzung, in dem das Selbst oder eine Kultur einem „Anderen“ oder einer „anderen Kultur“ begegnet und wichtiger noch, mit ihr interagiert.[4] In diesem Raum wird die herrschende Sprache und Kultur interpretiert, neu geschrieben, gebeugt und von den „Einheimischen“ in ihren eigenen Akzenten subvertiert. Die Chinese Society for Women’s Studies (CSWS) ist eine in den USA ansässige feministische Organisation und Gruppe von „Reisenden“. Sie wurde 1989 gegründet, als sieben chinesische Studentinnen verschiedener Fächer (Geschichte, Soziologie, vergleichende Literaturwissenschaft und American Studies) sich versammelten, um ihre Erfahrungen im Bereich der Women’s Studies auf der jährlichen Konferenz chinesischer HistorikerInnen in den USA auszutauschen. Ihre Ziele waren von Anfang an klar: die Forschung über chinesische Frauen in der internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft zu fördern, den wissenschaftlichen Austausch zwischen Frauen in China und Frauen an anderen Orten der Welt zu ermöglichen und mit feministischen WissenschaftlerInnen und AktivistInnen in China zu kooperieren, um die Women’s Studies in China zu voanzutreiben. Da sie bemerkten, dass einige chinesische WissenschaftlerInnen sich nicht als FeministInnen bezeichneten, da sie den Begriff nicht kannten, schlugen einige Mitglieder der CSWS Folgendes vor: „Wir glauben, dass im Hinblick auf Feminismus und Women’s Studies in westlichen Ländern Ambivalenz und Unklarheit herrschen. Daher muss mehr Forschung über den westlichen Feminismus betrieben werden, und mehr Austausch soll zwischen WissenschaftlerInnen innerhalb und außerhalb Chinas initiiert werden.“[5] Dieser Mission folgend, organisierte die CSWS einige Projekte, die in den 1990er Jahren chinesische WissenschaftlerInnen in den Feminismus und in westliche Women’s Studies einführten. 1994 und 1997 organisierte die CSWS auch eine Gruppe, die zwei Bücher über westlichen Feminismus und Women’s Studies schreiben und übersetzen sollte. Als Mitglied der CSWS war ich direkt an diesen Projekten beteiligt. Es gab viele Diskussionen zwischen CSWS-Mitgliedern in Briefen und E-Mails darüber, wie der Begriff „Feminismus“ zu übersetzen sei, über die Definition seiner Bedeutung und die Klärung der verschiedenen Auffassungen der Mitglieder über die kontextuellen Unterschiede zwischen Women’s Studies in China and im Westen. Lassen Sie mich auf die Diskussion von 1994 und insbesondere auf die Online-Debatte 1997 verweisen als Beispiele dafür, wie die CSWS die diesbezüglichen Übersetzungsangelegenheiten verstand.[6] Die vielleicht wichtigste politische Metapher in China während der 1990er Jahre war „jie gui“ (an die internationalen Geleise anschließen), die auf der Ansicht beruht, dass China lange Zeit ein Außenseiter der internationalen Gemeinschaft war; und als China in die internationale Gemeinschaft zurückkehrte musste es seine Spurweite ändern, um ins „internationale Gleis“ zu passen. Eines der wichtigsten Ereignisse dieses Prozesses des jie gui war Chinas Gastgeberschaft für die Vierte Frauenweltkonferenz 1995 (FWCW). Die Vierte Frauenweltkonferenz war ein wichtiges Ereignis für die Women’s Studies in China in den 1990er Jahren, nicht nur weil viele Women’s-Studies-Gruppen in China, darunter die CSWS, diese Gelegenheit nutzten, um einen Beitrag für die chinesischen Frauen zu leisten. Die Mitglieder vereinbarten, an einem Projekt, das die Publikation eines Buches über westliche feministische Theorie und die entstehende Disziplin der Women’s Studies als Ergebnis haben sollte, zu arbeiten, und wählten eines ihrer Mitglieder, Dr. Bao, eine Historikerin an der California State University, als Herausgeberin. Wir fanden bald nach Beginn des Projekts heraus, dass das Problem, mit dem wir konfrontiert waren, die Übersetzung der westlichen feministischen Terminologie war. Dr. Bao schlug vor, dass wir versuchen sollten, so viele Wörter wie möglich selbstständig zu übersetzen und schwierige Wörter nach der Fertigstellung der Essays, die wir schreiben sollten, zu diskutieren. Um ein möglichst gutes Resultat zu erzielen, untersuchte Dr. Bao unterschiedliche Strategien. Sie fuhr nach China, um sich dort mit EnglischprofessorInnen und chinesischen Women’s-Studies-ForscherInnen über die Übersetzungsprobleme auszutauschen. Ein Jahr später, als sich das Projekt seiner Fertigstellung näherte, nahm Dr. Bao den Vorschlag eines Mitglieds der CSWS an, eine Liste von empfohlenen terminologischen Übersetzungen anzufertigen, um die Einheitlichkeit der Übersetzungen zu verbessern und so die unnötige Verwirrung der LeserInnen unseres Buches zu vermeiden. Sie schlug vor, dass, würde die Übersetzung eines der Mitglieder sich von derjenigen auf der Liste unterscheiden, sowohl die chinesische als auch die englische Version nebeneinander mit einer kurzen editorischen Notiz erscheinen sollten. Nach einer ermutigenden Anzahl von Antworten wurde die Diskussion in Verbindung mit dem Index terminologischer Übersetzungen (einer Liste von Übersetzungsvorschlägen) begonnen. In einem Memo definierte Bao das Ziel der Diskussion: „Die Diskussion wird uns nicht nur dabei helfen, die Qualität unserer Arbeit zu verbessern, sondern auch unser Verständnis der kontextuellen Unterschiede zwischen der Praxis von Women’s Studies in China und im Westen verbessern.“[7] In der darauffolgenden Diskussion war die wichtigste Übersetzung die des Begriffs „Feminismus“. Der Begriff des „Feminismus“ hat eine 100 Jahre lange Geschichte in China. Er wurde an der Wende zum 20. Jahrhundert ins Chinesische übersetzt, als er mitsamt der Suffragettenbewegung nach China gelangte. Die originale Übersetzung war „nuquan zhuyi“ (Frauen-Macht oder -Rechte + -ismus), was eine militante Forderung nach politischen Rechten für Frauen beschrieb und an die früheren Bewegungen für das Wahlrecht der Frauen im Westen und in China erinnerte. Nach dem Niedergang der feministischen Bewegung in China entwickelte sich die Frauenbewegung in eine andere und ganz unterschiedliche Richtung, die die Entwicklung der Frauenbefreiung durch den politischen Kampf des Sozialismus vorantrieb. Die Identität der chinesischen Frauen wurde durch die ACWF (All China Women’s Federation) und durch andere staatliche Organisationen definiert, und zwar ausschließlich in Begriffen eines offiziellen Geschlechterdiskurses. Die Verwendung des Begriffs „Feminismus“ wurde abgelehnt und in diesem Diskurs seit der Geburt der Volksrepublik China 1949 „verboten“. Als feministisches „Wissen“ in den 1980er Jahren nach China gelangte, tauchte der Begriff „Feminismus“ wieder im chinesischen Women’s-Studies-Diskurs auf. Die neue Übersetzung, die in den 1990er Jahren vorgeschlagen wurde, war „nuxing zhuyi“ (Weiblichkeit + -ismus), die eher die Geschlechterdifferenz als den Kampf um Frauenrechte hervorhob und die in China als reicher an politischen und kulturellen Bedeutungen angesehen wurde als der frühere Begriff. In Hongkong und Taiwan zirkulierte der Begriff schon länger, in China wurde er ab den 1990er Jahren auf breiter Basis übernommen. Obwohl der Vorschlag zur Übersetzung von „Feminismus“ im Index „nuxing zhuyi“ lautete, bevorzugten einige Beitragende stattdessen die Übersetzung „nuquan zhuyi“. Sie hoben hervor, dass im westlichen Kontext Feminismus hochpolitisch und in gewisser Weise in einem Verständnis von „Macht“ verankert war und dass nuxing zhuyi nicht die gesamte Bedeutung von Feminismus im westlichen Sinne habe.[8] Es wurde jedoch auch die Gegenmeinung vorgebracht, die hervorhob, dass „nuquan zhuyi“ von „nuxing zhuyi“ abgeleitet ist und dass ersterer Begriff den politischen Sinn enthält, aber zweiterer die Idee vermittelt, dass Frauen ein ideologisches System erschaffen haben und die Kämpfe von Frauen um ihre Rechte darin enthalten seien. Eine der Beitragenden glaubte, dass weder „nuquan zhuyi“ noch „nuxing zhuyi“ die reiche Bedeutung des westlichen Begriffs von Feminimus erklären konnten, und sie schlug vor, dass ein Weg, damit umzugehen, sei, individuelle Entscheidungen zu treffen und diese schriftlich auszuführen, um die Differenzen zwischen uns deutlich zu machen.[9] Was aus dieser Korrespondenz über den Index terminologischer Übersetzung und die Bedeutung von „Feminismus“ in einem westlichen Kontext ersehen werden kann, ist, dass der Begriff des „westlichen Feminismus“ irgendwie da draußen existierte und in seiner Essenz erfasst werden sollte. Es war überraschend, zu sehen, wie bemüht einige der Beitragenden während dieser Diskussionen waren. Ich kannte und verwendete beide der vorgeschlagenen Übersetzungen des Begriffs „Feminismus“, als ich an den Women’s Studies in China teilnahm, aber war nicht besonders beunruhigt darüber, welchen ich in der Übersetzung ins Chinesische verwendete. In einem Kontext verwendete ich wegen seines originalen und über Jahre hinweg eingeführten Gebrauchs und der Bequemlichkeit für chinesische LeserInnen „nuquan zhuyi“, manchmal wurde der Gebrauch von „nuxing zhuyi“ von HerausgeberInnen vorgeschrieben. Ich glaubte jedoch, dass, egal welche Übersetzung ich verwendete, die LeserInnen im Kontext des betreffenden Artikels die Bedeutung gut verstehen würden. Ich dachte auch, dass das Problem im China der 1980er Jahre nicht war, wie wir es übersetzen, sondern ob wir es überhaupt verwenden sollten. Vielleicht gab es ja, wie Dr. Bao bemerkte, fundamentale Differenzen zwischen der Forschung der Women’s Studies in China und im Westen. In anderen Worten, darin lagen die Grenzen, sowohl politische als auch kulturelle, die es zu überqueren galt. Nun mussten die unterschiedlichen Ansichten in der Gruppe konsolidiert werden. Dr. Bao sandte am 3. Oktober 1994 ein Memo, in dem sie vorschlug, dass die Verwendung des Begriffs „nuxing zhuyi“ im Buch von den Präferenzen der Mehrzahl der Beitragenden abhing. An diesem Punkt würde eine demokratische Entscheidung notwendig. Sie bat uns, ihr unsere Listen zusammen mit unseren Ansichten zu schicken. Mit nur drei Gegenstimmen beschlossen wir, in unserem Buch „nuxing zhuyi“ anstatt „nuquan zhuyi“ zu verwenden. Das akademische, intellektuelle und politische Problem wurde einfach per Abstimmung gelöst, und das Buch wurde 1995 vom Sanlian Publishing House veröffentlicht. 1997 organisierte die CSWS mit Untersützung der Ford Foundation ein anderes Projekt zur Übersetzung feministischer Theorie. Mehr als 20 Mitglieder der CSWS wurden einbezogen. Der Unterschied zwischen diesem Projekt und dem von 1994 war, dass jetzt die meisten Beitragenden Zugang zu E-Mail hatten, sodass die Mitglieder direkt miteinander kommunzieren konnten anstatt die Informationen über die Herausgeberin weiterzuleiten. Das Ergebnis waren erhitzte Streitigkeiten über wichtige Aspekte des Feminismus im Allgemeinen. Wie Dr. Wang, eine der Herausgeberinnen des Übersetzungsprojekts, in einem Brief schrieb, betonten einige Beitragende, dass der englische Begriff „feminism“ viele Konnotationen habe und keine einzelne Übersetzung oder Erklärung im Chinesischen einem so komplexen Phänomen Rechnung tragen könne. Sowohl „nuquan zhuyi“ als auch „nuxing zhuyi“ sind beschränkt in ihrem Vermögen, „Feminimus“ zu übersetzen, und deshalb sollte der historische Hintergrund anerkannt werden, wenn der Begriff übersetzt werde.[10] Kurz gesagt wurde Übersetzung als Prozess verstanden, in dem die richtigen Worte für die originale Bedeutung gefunden werden müssen. Die Diskussion begann mit zwei Themen:
Im Gegensatz zum neuen Trend, Feminismus in China als „nuxing zhuyi“ zu übersetzen, zogen einige Beitragende vor, Feminismus mit „nuquan zhuyi“ zu übersetzen, und interpretierten Feminismus so als politisches und engagiertes Unternehmen. Während sie erwogen, dass dies in der Übersetzung betont werden sollte, dachten sie, dass die Bedeutung von „nuxing zhuyi“ dafür zu schwach sein könnte.[11] Andere Beitragende dachten jedoch, dass „nuxing zhuyi“ akademischer klingen würde und dies der Grund sein könnte, warum es in Taiwan verwendet wurde, weil die feministische Bewegung in Taiwan aufgrund importierter feministischer Ideen an der Universität begann.[12] Ein Mitglied der Gruppe, Chau, verfasste Besprechungen einiger Artikel über feministische Geschichte und feministische Lexika. Davon ausgehend kommentierte sie, dass das Problem nicht darin bestand, den Feminismus zu definieren, sondern darin, den Begriff wörtlich zu übersetzen: „Der Feminismus im Westen ist von Anfang an merkwürdig und einzigartig – ich schlage vor, dass jemand die Geschichte des Wortes in einem feministischen Wörterbuch nachschlägt. Ich vermute, dass es wie viele Worte auf ‚-ismus‘ zunächst von jemandem geprägt wurde, der gegen den Feminismus war und sich darüber lustig machen wollte, indem er ihm einen (zu dieser Zeit) lächerlichen Namen gab: Das Weibliche und Weiblichkeit sind dem Feminismus entgegengesetzte Ideen. Wenn wir also keinen kulturell feministischen Standpunkt einnehmen wollen – indem wir argumentieren, dass, weil Frauen von Natur aus so verschieden von Männern sind, wir daher komplementäre soziale Aufgaben haben sollten, obwohl wir gleiche Macht und Rechte haben –, sollten wir jeden Begriff vermeiden, der auf Geschlechtsessentialismus hindeutet.“[13] In der Zwischenzeit diskutierte Wang den Ursprung des Begriffs „Feminismus“ mit Karen Offen, einer Historikerin des europäischen Feminismus. Offens Antwort an Wang war, dass ,Feminismus‘ zu übersetzen immer ein Problem darstellt – die beste Definition ist so etwas wie ,eine Theorie und Praxis, die darauf abzielt, die Beherrschung von Frauen durch Männer zu beenden‘“[14]. Um mehr von der Geschichte des Feminismus im Westen zu verstehen, war es für mich hilfreich, Wörterbücher und ExpertInnen zu konsultieren, aber dies löste nicht das Problem der Übersetzung. Daher verlagerte sich die Diskussion auf den chinesischen Kontext. Um zu beweisen, dass „nuquan zhuyi“ auch ein politisches Unternehmen bezeichnet, verfolgte Wang die Geschichte des Feminismus in China. Sie wies darauf hin, dass die feministische Theorie in China zu Beginn des 20. Jahrhunderts eingeführt wurde. Mit dem Wissen um die Suffragettenbewegung in Europa und Amerika wurde „nuquan zhuyi“ zum vorherrschenden Begriff, wenn es unter Männern und Frauen um Feminismus ging, die behaupteten, progressiv und modern zu sein, und die darauf brannten, sich mit „nuquan zhuyi“ zu identifizieren. Aber die Frage, die sich dann stellt, ist, warum dieser Begriff später zu einem Etikett mit negativen Konnotationen wurde. Wang zufolge „[war] die Verunglimpfung und der Ausschluss von nuquan zhuyi ein untrennbarer Bestandteil der Konstruktion der chinesischen kommunistischen Partei, sodass sie die einzige Retterin der chinesischen Frauen war. In diesem Sinn war das Beharren auf der Verwendung von nuquan zhuyi eine politische Geste, die darauf abzielte, die Hegemonie der chinesischen kommunistischen Partei über den Diskurs der Frauenbefreiung zu dekonstruieren.“[15] Aber warum genau verbreitete sich „nuxing zhuyi“ Mitte der 1990er Jahre? Wang schlug vor, dass „[…] der Diskurs über Weiblichkeit in dieser Periode aus komplizierten Gründen entstand. Einer davon ist, dass weibliche Wissenschaftlerinnen einen essentialisierten Begriff von Frauen aufgriffen, um die dominante Kategorie der Klasse infrage zu stellen. Der Begriff nuxing zhuyi […], der aus Taiwan kam, passt gut mit ihrem Bedürfnis zu dieser Zeit zusammen, essentialisierte Eigenschaften und Bedürfnisse zu betonen […].“[16] Bao, die Herausgeberin der Publikation von 1995, stimmte Wang in einigen Punkten nicht zu und meinte, dass die „politische Geste“ in der Übersetzung problematisch sei und den Women’s Studies in China Probleme bereiten würde. „Ich stimme zu, dass wir die politische Schärfe des Feminismus im gegenwärtigen chinesischen Kontext betonen müssen – der, wie ich glaube, sehr wichtig ist –, wie wir schon in unserem Buch 1995 formuliert haben. Aber ist dies der Grund für den Rückgang der Frauenrechte in China? […] Statt uns einfach nur auf diesen Rückgang zu konzentrieren, den selbst in China nicht alle Frauen auf dieselbe Weise definieren würden oder der Tatsache zustimmen würden, dass ,Frauen heutzutage in China Rechte verlieren‘.“[17] Eine andere Beitragende, Xu, diskutierte mit Wang über das Thema des Essentialismus in den Women’s Studies in China: „Wang brachte ausgezeichnete Argumente vor, um nuxing zhuyi mit einem essentialistischen Begriff von Frauen in Verbindung zu bringen. Ich glaube jedoch, dass Ihre Bezeichnung nur teilweise richtig sein könnte und die verschiedenen Konnotationen von nuxing zhuyi im China der 1990er Jahre nicht zur Gänze analysiert.“[18] In dieser Debatte wurden wichtige Fragen gestellt, einschließlich der, wie wir die Geschichte chinesischer Frauen in diesem Jahrhundert verstehen. Können wir westliche feministische Ideen wie die des „Essentialismus“ verwenden, um „nuxing zhuyi“ in den chinesischen Women’s Studies zu beschreiben? Wie sollten wir die Tatsache verstehen, dass sowohl WissenschaftlerInnen der Women’s Studies als auch AktivistInnen diesen Begriff vorziehen?[19] Die wichtigste Konsequenz jedoch war wahrscheinlich, dass der Brennpunkt der Debatte sich vom westlichen auf den chinesischen Kontext verlagert hatte. Su erwähnte das Thema zum ersten Mal 1997 in einer E-Mail: „Persönlich bevorzuge ich das letztere, d. h. nuquan zhuyi durch das ganze Buch hinweg zu verwenden, da es das ist, was ich unter Feminismus im westlichen Kontext verstehe und wie der Begriff heute in China allgemein verstanden wird, soweit ich von der Women’s-Studies-Gemeinschaft in China weiß. Mein Eindruck mag begrenzt sein, obwohl ich das Gefühl habe, dass in nuxing zhuyi als Unterton etwas mitschwingt, was einige chinesische WissenschaftlerInnen als ihren ‚Feminismus‘ als Antwort auf den westlichen ‚Feminismus‘ definieren wollen.“[20] Was hier meine Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist, dass Su meint, einige chinesische WissenschaftlerInnen würden „Feminismus“ in Reaktion auf den westlichen Feminismus („nuquan zhuyi“) als „nuxing zhuyi“ definieren Das bedeutet, dass für sie „nuquan zhuyi“ und „nuxing zhuyi“ als Gegensatzpaar verwendet werden. Einige der Teilnehmerinnen waren besorgt, dass der Gebrauch von „nuquan zhuyi“ für den westlichen Feminismus und „nuxing zhuyi“ für den chinesischen die Teilung zwischen Frauen und Feministinnen verstärken würde, die durch Regierungsstellen und einige Women’s-Studies-WissenschaftlerInnen geschaffen wurde, und auch den Dialog von chinesischen Frauen mit anderen auf der ganzen Welt behindern und so das Wachstum des Feminismus in China untergraben würde.[21] In ihrer Antwort auf diese Punkte schlug Wang vor: „[…] nuquan zhuyi aufzuwerten bedeutet nicht unbedingt, die Dichotomien zwischen China und dem Westen zu unterstützen (insbesondere wenn WIR diese zwei Begriffe nicht als Gegensätze verwenden), könnte aber auch als Herausforderung des dominanten Diskurses verstanden werden.“[22] Wörter produzieren eher Effekte, als dass sie eine ihnen innewohnende Bedeutung haben.[23] Wangs Statement impliziert vielleicht, dass die verwendete Übersetzung bestimmte Effekte in den Women’s Studies in China produzieren sollte. Darüber hinaus betont Wangs Verwendung des großgeschriebenen „WIR“, dass die CSWS eine entscheidende Position in einem solchen grenzüberschreitenden Austausch einnimmt und dieses „WIR“ daher in einem Machtverhältnis konstituiert wird, ein Punkt, zu dem ich später zurückkehren werde. Obwohl einige Beitragende des Buches über diesen Punkt besorgt waren, schlossen sie einen Kompromiss, da es wichtig war, nicht nur die Differenzen, sondern auch die Gemeinsamkeiten mit anderen Frauen auf der ganzen Welt zu sehen: „Ich würde versuchen, beide zusammen zu verwenden. Dieses Anliegen von mir ist stärker als noch vor einigen Jahren, da es scheint, dass sich diese Praxis in China verbreitet hat. Obwohl ich mir über die essentialistische Konnotation der Übersetzung von nuxing zhuyi Gedanken mache, verstehe ich die Fluidität und Komplexität des Feminismus zusätzlich zur Tatsache, dass taiwanesische WissenschaftlerInnen nuxing zhuyi verwenden, um ihre Ideen zu bezeichnen. Deshalb habe ich in meinen Übersetzungen als Kompromiss nuquan/nuxing zhuyi verwendet.“[24] Zhang erwähnt hier, dass taiwanesische und chinesische WissenschaftlerInnen „nuxing zhuyi“ verwenden, um „ihre Ideen zu bezeichnen“ und nicht nur um einen Gegensatz zwischen China und dem Westen zu schaffen. Könnte ihr Kompromiss zwischen „nuquan zhuyi“ und „nuxing zhuyi“ das Problem der „Dichotomien“ überspringen? Wegen beschränkter Zeit und beschränkten Wissens in jenem Moment konnten wir dieses Thema nicht gründlich per E-Mail diskutieren, aber wir einigten uns darauf, dass „es extrem wichtig ist, die Konnotationen des Feminismus in den verschiedenen Kontexten von China und Taiwan wie auch in Hongkong vor und nach 1997 zu studieren“[25]. Eine der Beitragenden, Xu, erläuterte ihre Ansichten von „unserer“ Position (der der CSWS) in diesem Übersetzungsereignis: „Der Feminismus selbst hat im Westen verschiedene Konnotationen, sowohl historisch als auch in der Gegenwart. Warum sollten wir das Wort im Chinesischen und in diesem Buch vereinheitlichen? Wenn wir einen Standard in der theoretischen Entwicklung des Feminismus in China setzen wollen, glaube ich, dass wir einen großen Fehler begehen. Ich persönlich möchte nicht daran teilnehmen. […] Wang erwähnte, dass es verschiedene Übersetzungen des Begriffs ‚Feminismus‘“ in China gibt, aber es gibt kein Buch, das verschiedene Übersetzungen enthält. Warum kann unser Buch nicht das erste sein?“[26] Zhang antwortete darauf in „technischer“ Hinsicht und rechtfertigte, dass die Beitragenden eine Lösung finden sollten, um für die Bequemlichkeit der LeserInnen nur eine Übersetzung zu verwenden, da es sich auf den gleichen Begriff bezöge.[27] Nach einer hitzigen Debatte fanden jedoch die meisten Mitwirkenden, dass es beim Beibehalten oder Verwerfen der verschiedenen Übersetzungen in dem Buch nicht mehr um eine technische Frage ging, sondern darum, eine Metapher zu wählen, die die Differenzen zwischen dem Feminismus in China und dem im Westen sowie die verschiedenen Auffassungen und Meinungen in der CSWS betonen sollte. In der Tat wurde schließlich eine Übereinkunft durch Mehrheitsbeschluss erzielt, die verschiedenen Übersetzungen beizubehalten, und das Ergebnis wurde 1999 im Sanlian-Verlag publiziert. Aus dieser Erfahrung erkennen wir, dass die CSWS Übersetzung im Modus der „Grenzüberschreitung“ betrieb. Die Diskussion konzentrierte sich auf die Definition des westlichen Kontexts, verlagerte sich auf den chinesischen Kontext und betonte zusätzlich die Differenzen und die Vielfalt des Feminismus. Diese Veränderung, scheint mir, liegt am zunehmenden Kontakt zwischen den Mitgliedern der CSWS und anderen Frauen in China. Ein Jahr später, als ich diese E-Mails und Briefe wieder durchging, fiel mir ein Satz auf: „[…] unsere Diskussion über die Übersetzung des Begriffs ‚Feminismus‘ ist keine Angelegenheit der Übersetzung. Es ist eine theoretische Debatte.“[28] Warum dachte Xu, dass unsere Debatte keine Frage der Übersetzung war? Vielleicht dachte sie, dass unsere Diskussion über die Übersetzung des Begriffs „Feminismus“ ins Chinesische über die alten Annahmen darüber, was Übersetzung sei, d. h. über ein Modell „Sprache trifft Sprache“, hinausging. In der Tat haben Debatten innerhalb der Translation Studies das Hauptthema von der Frage „Was ist eine korrekte Übersetzung?“ hin zu „Was machen Übersetzungen, wie zirkulieren sie in der Welt, und welche Reaktionen rufen sie hervor?“[29] verschoben. In dieser Perspektive wurde Übersetzung als Angelegenheit des „Philosophischen, aber auch Politischen verstanden, das in Fragen der Sprache, des Diskurses, des ideologischen Widerspruchs und sozialen Konflikts verwickelt ist“[30]. In diesem Sinne war die Debatte innerhalb der CSWS sicherlich eine Übersetzungsangelegenheit, in der die Beitragenden an einem schwierigen Verhandlungsprozess um den Begriff „Feminismus“ teilnahmen. Sie verwendeten alle möglichen Strategien, historische Vergleiche, theoretische Interpretationen, linguistische Untersuchungen, um die Bedeutung und Funktion des Begriffs zu verhandeln. Was wir vielleicht aus der Debatte lernen sollten, betrifft die Frage, was wir unter Übersetzung verstehen. Wir waren daran gewohnt, zu glauben, dass Übersetzung jener Prozess sei, bei dem wir richtige Wörter finden, die zu den originalen Begriffen passen, sodass sich die originale Bedeutung durch die Übersetzung unverändert verbreiten kann. Um den richtigen Begriff zu finden, müssen wir jedoch versuchen, die Kultur des originalen Begriffs zu verstehen, da seine Bedeutung kulturell begründet ist. Aber wir könnten uns auch in dieser Untersuchung „verlieren“, denn je intensiver diese „Einbettung“ ist, desto schwieriger wird es, Äquivalente für Begriffe und Theorien der „anderen“ Kultur zu finden. Zum Beispiel schlug eine der Mitwirkenden aus der CSWS, die Karen Offens Arbeiten über Feminismus sowie einige Wörterbücher zu feministischer Theorie studiert hatte, als Alternative zum Begriff „Feminismus“ eine neue Übersetzung vor, „fujie sixiang“ (befreien + Frauen + Gedanken), doch griff niemand ihren Vorschlag auf, obgleich sie vernünftige Gründe für die neue Übersetzung anführte, und ich glaube, dass einer der Gründe dafür war, dass der Begriff „fujie sixiang“ seit Jahren von der Kommunistischen Partei Chinas verwendet wurde und eine sehr spezifische Bedeutung in China hätte, würde er auf Feminismus angewendet werden. Es ist klar, dass die Verhandlung des Begriffs „Feminismus“ einen kontinuierlichen Verhandlungsprozess beinhalten muss. Bedeutungen werden nicht einfach dadurch entdeckt, dass man sich auf die linguistische Aussage vor ihrem kontextuellen und begrifflichen Hintergrund konzentriert. Die Frage ist nicht „Was bedeutet der Begriff in einer uns fremden Kultur?“, sondern bis wohin können wir diesen Begriff als gleichwertig oder analog zu jenem verstehen, den wir mit unseren eigenen Begriffen bilden können?[31] ÜbersetzerInnen müssen die Bedeutung des Wortes innerhalb ihrer Versionen, die nach ihren Werturteilen gemacht und geformt werden, verhandeln. Und wenn wir ernsthaft über die Schwierigkeiten im Verhandlungsprozess nachdenken, muss die Möglichkeit einer kulturellen Unübersetzbarkeit des Begriffs in Erwägung gezogen werden. Bei der Übersetzung des Begriffs „Feminismus“ sind die zwei Ausdrücke „nuquan zhuyi“ und „nuxing zhuyi“ im Chinesischen schon in Umlauf, und der Kontext wird die LeserInnen dazu bringen, sich die angemessenen Kontexteigenschaften auszusuchen. Susan Bassnett wies darauf hin: „Das Problem hier ist, dass der/die LeserIn ein Verständnis des Begriffs haben wird, das auf seinem/ihrem eigenen kulturellen Kontext beruht, und er/sie diese partikularisierte Sichtweise dementsprechend anwenden wird.“[32] Obgleich einige CSWS-Mitglieder argumentierten, dass die Übersetzung „nuquan zhuyi“ allgemein gültig sei und sowohl für den westlichen als auch für den chinesischen Feminismus verwendet werden sollte, wählen LeserInnen in China immer noch „nuxing zhuyi“ aufgrund ihres kulturellen Kontexts. Wie ethnografische Arbeiten gezeigt haben, sind, weil Feminismus seine Theorie aus einer Praxis bezieht, die in der Materialität der Unterdrückung der Frauen verankert ist, die politischen Dimensionen des ethnografischen Textes immer schon in ihre Verwendungen in kontingenten, konjunkturellen Übersetzungen des Anderen eingeschrieben.[33] Wir müssen daher anerkennen, dass feministische Theorie und sogar das Wort „Feminismus“ immer unterschiedlich und kontrovers waren. In diesem Fall ist die Frage, ob diese Übersetzungsprozesse einfach zur Assimilation und zur Reduktion auf das Identische tendieren oder im Gegenteil das Nichtidentische betonen können, was nur möglich ist, wenn eine Beziehung gegenseitiger Spannung und gegenseitiger Fremdheit aufrechterhalten wird.[34] Die Vorstellung eines „Verlusts und Gewinns“ in den Translation Studies könnte hier vielleicht für das Überdenken der Übersetzung des Begriffs „Feminismus“ nützlich sein: „Wenn einmal das Prinzip akzeptiert wird, dass es keine Gleichheit zwischen zwei Sprachen gibt, wird es möglich, die Frage des Verlusts und Gewinns des Übersetzungsprozesses aufzuwerfen.“[35] Die Sorge, „das richtige Wort zu finden“, ist vielleicht ein Hinweis darauf, warum Sinologinnen in Übersee so viel Zeit mit der Diskussion des Verlusts in der Übersetzung des Begriffs „Feminismus“ aus dem Englischen ins Chinesische verbracht haben, dass uns jetzt mehr kümmern sollte, was damit gewonnen werden kann. Übersetzung ist keine neutrale Tätigkeit, sondern wird kulturell und historisch geformt, sie wird durch das Lexikon des/der ÜbersetzerIn und seine/ihre Werte geprägt. Lesen und übersetzen die ÜbersetzerInnen der CSWS aus ihrer Perspektive ins Chinesische? Der/die ÜbersetzerIn ist mein nächstes Thema. Wenn wir damit aufhören, Übersetzung als unsichtbare Tätigkeit anzusehen, muss die Figur des/der ÜbersetzerIn aus dem Schatten treten. Daher ist eines der Gebiete in den Translation Studies, das sehr wichtig geworden ist, das Studium von Aussagen von ÜbersetzerInnen über das Übersetzen. „Indem wir die Vorbemerkungen der ÜbersetzerInnen studieren, können wir nicht nur wesentlich mehr über die Kriterien erfahren, die durch eine/n individuelle/n ÜbersetzerIn gewählt werden, sondern auch darüber, wie diese Kriterien die Ansichten über die Gemeinschaft als solche reflektieren.“[36] Wir sollten mehr darüber wissen, wer die Übersetzung macht, innerhalb welcher Netzwerke und mit welchen sozialen Effekten. Wer waren in diesem Fall die Übersetzerinnen in der CSWS? Die meisten Mitglieder der CSWS waren Sinologinnen oder Studentinnen, die in den USA und in geringerer Zahl in anderen westlichen Staaten lebten. Als das Thema „Women’s Studies“ in China in der Mitte der 1980er Jahre aufkam, gingen viele Mitglieder der CSWS nach Amerika, und ein großer Teil ihres Wissens über Feminismus und Women’s Studies wurde dort erworben. In diesem Sinne sind die Mitglieder der CSWS an den Grenzen von Kulturen, Politik und Sprachen verortet, und daher müssen ihre Übersetzungsakte diese Grenzen überschreiten. Dies setzt eine neue Sprecherinnenposition voraus, von der aus die CSWS Projekte wie die Herausgabe übersetzter feministischer Bücher, die Organisation von Workshops und Konferenzen über Women’s Studies und Frauen und Entwicklung durchgeführt hat. Aber – und hier möchte ich zu meinem früheren Punkt über die „Machtverhältnisse“ zurückkehren, die dem zeitgenössischen Kulturaustausch zugrunde liegen – eine andere Perspektive darauf wäre, dass die Mitglieder der CSWS in einem Erste-Welt-Land (USA) leben und nicht in einem Dritte-Welt-Land und daher als Konsequenz ein Begriff einer Politik der Verortung entwickelt werden sollte. Einige Mitglieder der CSWS argumentierten, dass ihre diasporische Position sie marginalisiert habe, aber zur selben Zeit stärkte es auch ihr Potenzial, eine Quelle von Gegendiskursen in China zu sein.[37] Doch es gibt auch eine „strukturellere“ Art, über die Beziehungen zwischen den diasporischen und den ansässigen „einheimischen“ Women’s-Studies-ForscherInnen nachzudenken. Hier weisen andere Mitglieder darauf hin, dass „der/die ,Einheimische‘ ganz ernsthaft die Universalität der westlichen Erfahrung und der/die ,Ausländische/Diasporische‘, aus Angst vor einer möglicherweise ungleichen Beziehung, die durch die diskursiv definierte Verortung von Macht entsteht, auch fanatisch den Nativismus vertreten kann. Die Situation wird dadurch noch komplizierter, dass in dieser Ära eines sich ,globalisierenden Feminismus‘ eine Sprache und Diskurse, die an einem Ort entwickelt werden, an einem anderen Ort zu einem ganz anderen Zweck verwendet werden könnten. Es ist daher wahrscheinlich keine Überraschung, wenn die schon Privilegierten behaupten, ,zum Schweigen‘ gebracht worden zu sein, und die zum Schweigen Gebrachten im Diskurs des ,Sprechens für die zum Schweigen Gebrachten‘ weiterhin verstummen.“[38] Als in den USA verortete feministische Organisation, die in Projekte „reisender Theorie“ involviert ist, sollte die CSWS kritischer gegenüber den Machtverhältnissen in der Wissensproduktion sein. Wie Mignolo ausführt, ist „die Wissensproduktion nicht getrennt von den Sensibilitäten des geohistorischen Ortes und davon, dass historische Orte in der modernen/kolonialen Welt durch die Kolonialität der Macht geformt wurden. Die Wissenschaft, reisende Theorien, wandernde und sesshafte WissenschaftlerInnen in der Ersten oder Dritten Welt können die Markierungen in ihren Körpern nicht vermeiden, die durch die Kolonialität der Macht dort eingeprägt wurden und die in letzter Instanz ihr Denken orientieren.“[39] Tatsächlich wurden die meisten Forschungsprojekte seit den frühen 1990er Jahren in der Zusammenarbeit von Teams der CSWS und Women’s-Studies-ForscherInnen in China durchgeführt, aber das Machtverhältnis im Prozess der Wissensproduktion wurde erst kürzlich aufgedeckt.[40] Die meisten dieser Projekte wurden dank der finanziellen, intellektuellen und politischen Unterstützung der Ford Foundation durchgeführt, aber es sollte festgehalten werden, dass Ford seine eigene Agenda in der Förderung des „globalen Feminismus“ und von „Gender und Entwicklung“ hat und dieses Thema eine wesentlich stärkere Beachtung erfahren sollte. Die Dominanz Amerikas als Weltmacht ebenso wie die englische Sprache erlaubten ihnen den einfachen Zugang zu Ressourcen ebenso wie die Entscheidung, was übersetzt werden sollte. Die CSWS war zum Beispiel ein wichtiges Element im Prozess der Übersetzung von Schlüsselwerken der Gendertheorie ins Chinesische. Es ist wenig überraschend, dass solche Einflüsse von außen im Falle feministischer Theorie auf Englisch vor allem amerikanische waren. Wer könnte sich die zeitgenössischen Women’s / Gender Studies ohne diesen Einfluss vorstellen? Durch den Import der US-feministischen Theorien und die Blockierung anderer Theorien wird die asymmetrische Verteilung von Wissen intensiviert. Wenn Debatten über Postmodernismus und Postkolonialismus in den Women’s Studies in China verspätet sind, welche anderen wichtigen feministischen Theorien sind dann auch noch nicht nach China gelangt? Arbeiten von Women of Color (sogar Amerikanerinnen wie Gloria Anzaldúa und Angela Davis) sind unbekannt. Women’s Studies und feministische Theorie in Osteuropa, dem Nahen Osten, Indien und Afrika (nicht zu vergessen der australische und lateinamerikanische Feminismus) sind in China fast nicht bekannt. Das Machtverhältnis hinter diesem globalen Fluss feministischer Theorien, Publikationen und feministischen Aktivismus sollte aufgedeckt werden, und dies ist eindeutig eines der neuen Forschungsfelder, die von den Women’s/Gender Studies in China gefördert werden sollten. Durch den Vergleich der Diskussionen von 1994 und 1997 in der CSWS können wir Übersetzung „im Werden“, eine Praxis der Übersetzung als Grenzüberschreitung, erkennen. 1994 konzentrierte sich die Diskussion auf die Definition in einem westlichen Kontext, aber 1997 wurde ein deutlicher Wandel sichtbar, indem die meisten Beitragenden Feminismus nicht nur in einem westlichen Kontext, sondern auch im chinesischen Kontext verstanden, und zusätzlich wurden die Differenzen und die Diversität des Feminismus hervorgehoben. Dieser Wandel, so scheint mir, ist das Ergebnis des zunehmenden Kontakts zwischen Mitgliedern der CSWS und anderen Frauen in China. Wie Caren Kaplan vorschlug, „liegt diesen Kompromissen und Verhandlungen die Erkenntnis zugrunde, dass politische Notwendigkeit, sogar Dringlichkeit, die Theorisierung einer sinnvollen Spannung zwischen dem Universalen und dem Partikularen, der Ähnlichkeit und der Differenz, Zuhause und anderswo benötigt“[41]. Um eine sinnvolle Spannung zwischen diesen „Grenzen“ aufzubauen, sollte die nächste Studie über die Übersetzung des Begriffs „Feminismus“ die „Grenze“ Chinas überschreiten. Nach dem Übersetzungsprojekt 1997 wurden in der CSWS neue kollaborative Projekte mit lokalen chinesischen Frauen-Basisgruppen durchgeführt. Die Rolle der CSWS veränderte sich von einführender Ausbildung hin zu partizipatorischem Empowerment. Die Arbeit war immer noch Teil des „Anschlusses an internationale Gleise“, aber statt auf dem Fluss des „sich globalisierenden Feminismus“ nach China lag die Konzentration nun darauf, sich durch die Auseinanderstzung mit verschiedenen Frauengruppen an das „lokale“ Gleis anzuschließen. Der wichtigste Faktor war dabei die Veränderung in Richtung feministische partizipatorische Prinzipien mit lokalen Partnern. Diesen Prinzipien gemäß respektierte das CSWS-Planungskomitee vollkommen die Rolle des lokalen Gastgebers beim Entwurf des Workshopprogramms und der Einladung lokaler Basisgruppen zu diesem Workshop. Die lokale Autonomie der Frauen und die AutorInnenschaft des Workshops entwickelten sich zu den treibenden Kräften eines erfolgreichen Projekts. Um die Veränderungen in der CSWS in den 1990er Jahren zu verstehen, ist Bao Xiaolans und Wu Xus Erklärung wichtig: „Wie die meisten in unserer Umgebung, die in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren Women’s Studies studierten, wurden wir durch die Theorie der Differenz geprägt, die die Wichtigkeit der Anerkennung verschiedener Erfahrungen von Frauen in feministischer Interaktion betonte.“[42] Die Erfahrung der feministischen Praxis in China machte einigen Mitgliedern der CSWS die Bedeutung der Theorie der Differenz klar. Sie behaupteten, dass sie ohne die Wichtigkeit des Verständnisses von verschiedenen Erfahrungen von Frauen einen Workshop wie diesen nicht hätten organisieren können. Es war das Bewusstsein der ungleichen Machtverhältnisse in feministischen Interaktionen und dem Politischen der Verortung, das sie dazu brachte, die Beziehung mit ihren PartnerInnen in China neu zu überdenken und beim Workshop eine intersubjektive „Kontaktzone“ für alle TeilnehmerInnen zu erschaffen.[43] Mit den revolutionären Entwicklungen im Internet und in der Kommunikation und der wachsenden Anzahl transnationaler Institutionen haben sich die Bedingungen „reisender Theorie“ schneller und weiter als jemals zuvor bewegt. Gleichzeitig macht dies auch die Grenze selbst instabil und veränderlich. In dieser Situation muss die CSWS ihre Geschwindigkeit bei der Grenzüberschreitung verlangsamen und versuchen, mit dieser sich ständig ändernden Welt zurechtzukommen. Daher ist es für ÜbersetzerInnen nicht genug, nur Theorie als Grenzüberschreitung zu betreiben. Das Wichtigste ist die Fähigkeit, sich auf der Grenze zu situieren. In diesem Sinne ist die Funktion des/der ÜbersetzerIn nicht die eines go-between, sondern die eines get-between, jemandes, der/die nicht nur gibt und nimmt, sondern sich in die Mitte begibt[44] oder einen „mittleren Weg“ öffnet.[45] Die Grenzen zu erkennen und sie zur selben Zeit zu überschreiten ist die Fähigkeit, die wir brauchen. [1] Der Text „China“, in Alison M. Jaggar / Iris Marion Young (Hg.), A Companion to Feminist Philosophy, Oxford: Blackwell 1988, wurde von Chun Lin, Bohong Liu und Yihong Jin verfasst. Die erste Version des Artikels wurde auf Chinesisch geschrieben und enthielt einige chinesische Perspektiven auf Women’s Studies in China. Die englische Übersetzung dieses Artikels nahm dann einen eher westlichen Stil der Begrifflichkeiten und des Schreibens an, mit Rücksicht auf den Blick westlicher LeserInnen auf chinesische Frauen. Als diese englische Version ins Chinesische zurückübersetzt wurde, fanden viele chinesische Frauen, dass er überhaupt nicht mehr chinesisch klang. So wurden etwa die philosophischen Begriffe des „Anderen“ oder „Orientalismus“ in den Women’s Studies in China damals gar nicht verwendet. Mehr Details über die Auswirkungen dieses Artikels in den Kreisen der chinesischen Women’s Studies gibt Ferguson 1997. [2] 1994 und 1997 organisierte die CSWS, dass eine Gruppe von Mitgliedern zwei Bücher über westlichen Feminismus und Women’s Studies schrieb und übersetzte, die dann in China publiziert werden sollten. In Briefen und E-Mails gab es viele Diskussionen und Debatten zwischen CSWS-Mitgliedern darüber, wie der Begriff „Feminismus“ übersetzt werden sollte. [3] Vgl. Talal Asad, „The Concept of Cultural Translation in British Social Anthropology“, in: James Clifford / George E. Marcus (Hg.), Writing Culture. The Poetics and Polities of Ethnography, Berkeley / Los Angeles / London: University of California Press 1986, S. 141-164; Tejaswini Niranjana, Siting Translation. History, Post-Structuralism, and the Colonial Context, Cambridge: Harvard University Press 1992; Claudia de Lima Costa, „Lost (and Found?) in Translation. Feminisms in Hemispheric Dialogue“, in: Latino Studies, 4, 2006, S. 62-78. [4] Anuradha Dingwaney, „Introduction. Translating ‚Third World‘ Cultures“, in: Anuradha Dingwaney / Carol Maier (Hg.), Between Languages and Cultures. Translation and Cross-Cultural Texts, Pittsburgh / London: University of Pittsburgh Press 1995, S. 3-15, hier: S. 8. [5] Naihua Zhang / Wu Xu, „Discovering the Positive within the Negative. The Women’s Movement in a Changing China“, in: Amrita Basu (Hg.), The Challenge of Local Feminisms, Boulder / San Francisco / Oxford: Westview Press 1995, S. 25-57, hier: S. 37. [6] Da ich damals keinen Zugang zum Internet hatte, war es mir nicht möglich, mich an der Debatte 1997 zu beteiligen, obwohl ich Kopien der E-Mail-Diskussionen per Post erhielt. [7] Xiaolan Bao, Memo vom 3. Oktober 1994. [8] Liu, Index 1994. [9] Wang, Brief vom 9. Oktober 1994. [10] Wang, Brief von 1994. [11] Vgl. Wei, E-Mail vom 30. April 1997. [12] Vgl. Chau, E-Mail vom 30. April 1997. [13] Chau, ibid. [14] Offen, E-Mail vom 2. Mai 1997. [15] Wang, E-Mail vom 30. April 1997. [16] Ibid. [17] Bao, E-Mail vom 30. April 1997. [18] Xu, E-Mail vom 30. April 1997. [19] Ich glaube, dass einige Mitglieder der CSWS die Geschichte der Women’s Studies in China während der 1980er Jahre nicht völlig verstanden haben. Statt damals von Women’s-Studies-WissenschaftlerInnen und AktivistInnen in China zu lernen, nahmen sie an, dass die chinesischen Women’s Studies seit den 1980er Jahren „essentialistisch“ geworden seien, und fragten nicht, warum. Ich habe dieses Thema in einem Artikel diskutiert. Vgl. Min Dongchao, „Translation as Crossing Borders. A Case Study of Translation of the Word ,Feminism‘ into Chinese“, in: Women’s Studies Centre (Hg.), op. cit., S. 26-36. [20] Su, E-Mail vom 28 April 1997. [21] Wang, E-Mail vom 30. April 1997. [22] Ibid. [23] Richard Rorty, Contingency, Irony, and Solidarity, Cambridge: Cambridge University Press 1989. [24] Zhang, E-Mail vom 1. Mai 1997. [25] Bao, E-Mail vom 30. April 1997. [26] Xu, E-Mail vom 30. April 1997. [27] Vgl. Zhang, E-Mail vom 1. Mai 1997. [28] Xu, E-Mail vom 30. April 1997. [29] Vgl. Sherry Simon, Gender in Translation. Cultural Identity and the Politics of Transmission, London / New York: Routledge 1996, S. 7. [30] Lawrence Venuti, „Introduction“, in: Lawrence Venuti (Hg.), Rethinking Translation. Discourse, Subjectivity, Ideology, London / New York: Routledge 1992, S. 1-17, hier: S. 6. [31] Vgl. Simon, op. cit. [32] Susan Bassnett, Translation Studies, London / New York: Routledge 1991, S. 33. [33] Vgl. Costa, op. cit. [34] Vgl. António Sousa Ribeiro, „The Reason of Borders or a Border Reason?“, 2004 , in: http://www.eurozine.com/articles/2004-01-08-ribeiro-en.html. [35] Bassnett, op. cit., S. 30. [36] Bassnett, op. cit., S. xiii. [37] Zheng Wang, „Maoism, feminism, and the UN Conference on Women: Women's Studies research in contemporary China“, in: Journal of Women's History, 8 (4), S. 126-152. [38] Xiaolan Bao / Wu Xu, „Feminist Collaboration between Diaspora and China“, in: Ping-chun Hsiung / Maria Jaschok / Cecilia Milwertz mit Red Chan (Hg.), Chinese Women Organizing. Cadres, Feminists, Muslims, Queers, Oxford / New York: Berg 2001, S.79-100, hier: S. 91-92. [39] Walter D. Mignolo, Local Histories/Global Designs. Coloniality, Subaltern Knowledges, and Border Thinking, Princeton / New Jersey: Princeton University Press 2000, S. 185-186. [40] Min, op. cit., 1999; Bao / Xu, op. cit. [41] Caren Kaplan, Questions of Travel. Postmodern Discourses of Displacement, Durham / London: Duke University Press 1996, S. 169. [42] Bao / Xu, op. cit., S. 91. [43] Ibid., S. 79-100. [45] Rada Iveković, „Transborder Translating“, 2005, in: http://www.eurozine.com/articles/2005-01-14-ivekovic-en.html. |
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