Konzept

Das transnationale Forschungsprojekt translate zielt auf die Erkundung einer politischen Artikulation des Begriffs der kulturellen Übersetzung in künstlerischen Praxen wie auch in politischen und sozialen Bewegungen, und zwar im Zuge einer Reihe von Kunst- und Ausstellungsprojekten, diskursiven Veranstaltungen sowie Vernetzungsaktivitäten von 2005 bis 2008.

translate geht von einer grundlegenden Kritik des Begriffs der kulturellen Übersetzung aus. In den zeitgenössischen kulturellen Diskursen einer postdialektischen Ära, die binäre Einteilungen und metaphysisches Denken hinter sich gelassen zu haben meint, wurde der Begriff der kulturellen Übersetzung zu einer Schlüsselmetapher; er stellt ein Modell für unendliche Vermittlungsprozesse jenseits unveränderlicher Identitäten und stabiler Grenzlinien dar. Ursprünglich aus der konkreten literarischen und linguistischen Praxis stammend, kommt dem Begriff so eine überforderte Rolle zu: In einer obsessiven Übersetzung von politischen in kulturelle Probleme wird ihm die Lösung jeglichen Problems - von der Universalität bis zu transnationalen Subjektivitäten - anvertraut.

Der inflationäre Gebrauch des Konzepts verschleiert die radikalen Konsequenzen, die eine tatsächliche Umsetzung der kulturellen Übersetzung für nationale, auf der Konstruktion exklusiver nationaler Kanons und Bildungssysteme basierende Kulturen nach sich ziehen würde, und folglich für die nationalen kulturellen Eliten, die in den sie stützenden materiellen Bedingungen fest verankert sind. Jeder wirkliche Versuch einer Förderung kultureller Übersetzung würde ein System, in dem eine globale Kultur nur das additive Ergebnis einzelner Nationalkulturen darstellt, unwiederbringlich verändern. Etienne Balibar zufolge sind die TrägerInnen der kulturellen Übersetzung KosmopolitInnen, MigrantInnen sowie andere Gruppen, die nicht von den traditionellen Infrastrukturen nationaler Kulturen oder der politischen Struktur des Nationalstaats gestützt werden. Aber existieren für die soziale oder politische Artikulation dieser Gruppen heute irgendwelche konkreten Räume? Wo wären diese auszumachen? Entlang welcher positiven Kategorien müssten sie begriffen und durch welche Praxen vorangetrieben werden? Ist kulturelle Übersetzung eine Möglichkeit, Differenz zu entfalten, oder aber eine Strategie (staatlichen, ökonomischen etc.) Differenzmanagements? Und welche praktischen Konsequenzen hat sie für das Arbeiten in einem transnationalen Kontext?

Die Projekte verfolgen diese Fragen entlang von 4 thematischen Strängen: Kritik der Kulturalisierung, Prozesse gesellschaftlicher Neuzusammensetzung, Jenseits des Postkolonialismus: die Produktion des globalen Gemeinsamen, Multilinguale Praxen versus nationale Sprachpolitiken.

Hito Steyerl: translate. Beyond Culture: The Politics of Translation

Hito Steyerl

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